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//S. 91//

Das Ganze ist nichts als Verhältnis, und doch soll Etwas werden; dies liegt in der Natur der idealen Tätigkeit, und dieser ihr produktives Vermögen zu erörtern ist unser vorzüglichstes Geschäfte, z. B. dass Matereie im Raum ausge- dehnt sei und dass dieses nichts sei als ein Verhältnis auf unsere Empfindung.

Hier sind wir beim Entstehungsorte des Systems unserer Sensibilität für uns, und unsere gegenwärtige Vorausset- zung, dass unsere Gefühle angeschaut werden, erklärt dieses System der Sensibilität, so wie dieses unsere Voraus- setzung unterstützt.

Eine Veränderung von A zu B wird angeschaut, ist also ein Bestimmtes, aber dies ist nichts ohne Bestimmbares. Also keine Veränderung lässt sich anschauen ohne Veränderlichkeit; soll aber diese etwas für uns sein, so kann sie nur sein eine Zusammensetzung aus der Anschauung mehrerer Veränderungen.

Diese besondere und von der vorigen Paragraphen aufgstellten verschiedene Anschauung heiße X, sie ist nicht Anschauung überhaupt, sondern die Anschauung eines Übergehens.

So gewiss angeschaut wird, schwebt dem Anschauenden ein Objekt vor, welches sein Objektives davon erhält, dass die Anschauung darauf bezogen wird. Diese Veränderlichkeit wird also hier schon zu einem Etwas, weil seine Anschauung darauf geht. (Das System unserer Veränderlichkeit ist unser Leib. Dieser ist ja Etwas, soll ausgedehnt sein im Raume; dies wird er lediglich durch die Anschauung.) Die Anschauung X ist eine Anschauung des Ich selbst. Es wäre nun das Fühlende im System der Sensibilität erschöpft; das Ich dauert in allen Gefühlen fort, X wäre die Anschauung des Ich, in dieser Anschauung fände es sich selbst als Objekt.
Nota.
 -  Für uns selbst sind wir Ich zu allererst als Leib - das ist doch einfach, wozu all die dialektischen Umstände? Eben darum: Er ist nicht 'sein' Leib, nicht reale Dualität, sondern im Leib schaut das Ich sich selbst an. Aus der Vorstellung treten wir an keine Stelle heraus.
Darum ist der Satz, das Ganze sei nichts als ein Verhältnis, nicht ontologisch zu verstehen wie bei Aristoteles, wo es 'mehr' sein soll als die 'Summe seiner Teile'; denn dieser Satz ist nicht vorstellbar, er müsste geglaubt werden, und das kommt für den Transzendentalphilosophen nicht in Frage.
JE

Alle Erfahrung ist ein beständiger Wechsel von Verän-//92//derungen. Woher nun das Fortdauernde, welches in den Erscheinungen erscheine?

Jenes Dauernde ist nichts anderes, als das in allem Wechsel vorstellende Ich als das Handelnde, aber es erscheint qualis talis nicht, es erscheint objektiv, weil es in die Anschauung hereinfällt. So ists in der Anschauung X. Es sind die entgegengesetzten Gefühle A und B, diese vereinige ich in mir, mich aber musste ich anschauen, und diese Anschauung würde mir den Boden geben, auf den ich A und B auftragen könnte. Es ist nun die Schwierigkeit, wie Tätigkeit qualis talis angeschaut werden könnte. In der Anschauung X schaut das Ich sich selbst an als das in beiden Gefühle A und B Tätige. Dies Resultat ist noch Problem.


5) Überhaupt eine bestimmte Tätigkeit ist die dem Ich in X zugeschriebene allerdings, denn es ist die Anschauung Y als eines das Ich überhaupt Begrenzenden. Die vorausgesetzte Begebenheit kurz ausgedrück heißt: Ich schaue mich an in X als anschauend Y. Ich soll sonach in beiden Anschauungen mich finden als dasselbe Ich, beide müssten demnach in einem Dritten vereinigt werden.

Die Anschauung X wird die meinige durch ein unmittelbares Gefühl, so nicht die Anschauung Y; diese geht durch X hindurch und müsste da an sie geknüpft werden, wenn sie meine heißen sollte. In der Anschauung X müsste die Anschauung Y notwendig erhalten sein als ein notwendiger Bestandteil, so dass X und Y nicht getrennt werden können. Y müsste durch X hindurch gefühlt werden, und dies könnte nur so geschehen, dass die ideale Tätigkeit in Y beschränkt wäre, gerade so zu bilden und nicht anders; dadurch nur allein würde auch das Gefühl dessen, was Y anschaut, möglich. Denn jedes Gefühl ist Begrenztheit, und hier wäre denn Gefühl einer wirklichen Begrenztheit, aber einer idealen; dadurch würde die Tätigkeit in X anschaubar - sie würde Objektives -, dass sie begrenztes Quantum ist.

Sonach wäre der Zustand des Ich: Ich fühle mich begrenzt; aber das, in Rücksicht dessen ich mich begrenzt fühle, ist eine wirkliche, aber ideale Tätigkeit. In wiefern es Tätigkeit ist, kann ich es nur anschauen, in wiefern sie aber beschränkt ist, fühle ich sie, dies gibt das //93// Gefühl Y; beide, X und Y, sind unzertrennlich verbun- den, eins kann ohne das andre nicht sein.
 Nota.
 - ...'den Boden geben, auf den ich A und B auftragen könnte'; '...müsste durch X hindurch gefühlt werden'; 'anschauen als anschauend', 'Quantum' usw.: Das sind alles keine Begriffe, sondern Anweisungen an die Vorstellung. Es gibt nichts objektiv zu konstruieren, man muss die Vorstellungen jedesmal selber subjektiv hervorbringen. Darum bedient er sich umgangssprachlicher Wendungen, die man anschaulich und metaphorisch verstehen kann. Begriffe sind gar nicht am Platze, sie wären irreführend und falsch.
- Dies gesagt habend, räume ich ein: An dieser Stelle komme ich mit dem Vorstellen nicht ganz hinterher.
JE

Die Begrenztheit, von der hier die Rede ist, ist der Denkzwang, etwas so und  nicht anders vorzustellen. Ich kann kein Ding außer mir bemerken, ohne mich selbst zu bemerken als bemerkend. Aber dass ich mich bemerke, hängt davon ab, dass ich ein Ding außer mir bemerke, weil ich dadurch beschränkt werde. Kein Ich ohne NichtIch und umgekehrt. - 

Die Anschauung beider steht sonach in Wechselwirkung, eine ist nicht möglich ohne die andre. Die eben aufgestellte Wechselwirkung dajert immer fort, wird nur weiter bestimmt. Hier ist die oben unbeantwortete Frage beantwortet: Wie kann das Ich in der Anschauung sich selbst fühlen? Antwort: Indem es gezwungen, beschränkt ist.

Mit diesen Vorkenntnissen können wir tiefer in die Sache eingehen.

6. Wird die reale Tätigkeit der Ich beschränkt, so entsteht notwendig, da die ideale Tätigkeit immer bleibt, eine //94// Anschauung, vor der Hand nur die des Beschränkenden. Dieses ist sonach ein ganz bestimmter Zustand des Ich. Von ihm aus kann eine genetische Einsicht in das jetzt Gesagte gegeben werden. 

An diesem Zustand soll eine Veränderung erfolgen, wie und woher wissen wir nicht, wir haben sie wirklich postuliert. Das Ich wird durch diese Veränderung in seiner Beschränkung beschränkt. Im ersten Zustand (voriger Paragraph) ist das Ich und ist es irgend etwas, es ist fixiert, gehalten; ein bestimmtes Streben in ihm, weil es beschränkt ist. Oder Tätigkeit ist in ihm negiert, welches der Charakter des Seins ist.
Nota.
 - Zu Grunde liegt die Vorstellung einer allgemeinen und unendlichen Agilität, die einstweilen nur 'schwebt': Um etwas und real zu werden, bedarf sie eines Widerstands, der sie aufhält und einschränkt; an dieser Beschränkung wird ein Teil der Agilität auf sie selbst zurückgeworfen und reflektiert: sie wird - real und ideal - bestimmt. Ihre 'Bestimmung' ist, sich fortschreitend selbst zu bestimmen: ideal als ein Ich für sich, real als ein un- entwegtes Übergehen. - Das ist das abstrakte Modell der Wissenschaftslehre, das eine und das andere geschieht zugleich und auf einmal, weil und wenn es geschieht.
Dies dient nur der Veranschaulichung. Positiv und als Satz genommen wäre es dogmatisch und falsch.
JE

Das Ich ist aber noch nichts für sich; es ist auf jenem Gesichtspunkte keine Reflexion des Ich auf sich selbst abge- leitet. Es wird sich finden, dass das Ich zu diesem Anschauenden ein Sein für sich haben wird. Dieses Sein ists nun, welches durch diese Veränderung beschränkt wird, durch B im Gegenstatze zu A, wo nur ein Streben beschränkt wurde. Das Sein des Ich ist das Beschränkte. Das Gefühl B als Gefühl überhaupt ist auch Beschränkung des Strebens, hat dies mit A gemein; aber wir abstrahieren hier davon und sehen nur darauf, dass es das Gefühl B ist, wir sehen nur auf die Veränderung.

Ein Sein ist nur für die ideale Tätigkeit. Nun geht auf alles Sein des Ich noch nicht die ideale Tätigkeeit, insofern kann also das Sein und die ideale Tätigkeit nicht beschränkt sein, aber die ideale Tätigkeit geht in der Anschauung Y auf das Sein von Y; wird nun, wie es dem Erwiesenen nach geschehen muss, das Sein des Ich beschränkt, so würde das Sein im Anschauen des Y beschränkt, verändert.
 Nota.
 - Verstehe ich nicht. Ein Sein ist nie 'an sich', sondern immer bestimmt: dieses Seiende; denn es ist stets beschränkt durch diese ideale Tätigkeit: Ideale Tätigkeit an sich gibt es nicht.* Sobald also ein Tätiges zum Sein festgestellt wurde, ist es eo ipso beschränkt. Wozu also all die Verrenkung? (Worauf will er hinaus?)
*) Ideale Tätigkeit geht auf die Beschränkung einer realen Tätigkeit durch diesen Widerstand; insofern ist sie selbst beschränkt und bestimmt als diese.
JE

Aus der Beschränktheit und Veränderung meines Seins folgt auch die Beschränktheit und Veränderung des Seins außer mir. Zufolge der Bechränkung meiner realen Tätigkeit in A entsteht notwendig die Anschauung Y eines Beschränkten (voriger Paragraph); wird diese Beschränkthiet A als Grund der Beschränkung Y wieder beschränkt, so folgt eine Beschränkung des Gegründeten [sic], dies gibt die Anschauung Y. Beschränktheit der realen Tätigkeit gibt Anschauung (voriger Paragraph).

Ein bestimmtes Quantum jener Beschränktheit gibt ein bestimmtes Quantum Anschauung. Wird der Grund be-//95//schränkt, so wird es auch das Begründete (Ich bin in der Anschauuung beschränkt heißt: Ich bin in der Vorstellung Y gebunden, das Mannigfaltige darin so zu ordnen und nicht anders; jede Bexchränktheit erregt ein Gefühl, sonach auch die Beschränktheit der idealen Tätigkeit in der Anschauung Y.)
Nota.
 - Beschränken heißt bestimmen heißt anschauen. Erst ein durch die Beschränkung der realen Tätigkeit Bestimmtes ist etwas und lässt sich eo ipso anschauen.
JE

Zuvörderst ist nur von der Beschränkung des praktischen Vermögens als Grund der Beschränkung gesprochen, denn es scheint sonderbar, dass die als unbeschränktbar aufgestellte [ideale] Tätigkeit beschränkt werde und aus ihr ein Gefühl erfolgen solle. Auf die Erfahrung darf man sich nicht berufen. In der Erfahrung findet Denkzwang statt, die Objekte so aufzufassen. Es müsste etwa so sein, dass die ideale Tätigkeit praktisch würde und mit Freiheit hervor- brächte, und insofern beschränkt würde; dies wird sich weiter unten zeigen, sonst fiele alles System zusammen.

Aus der Beschränktheit der idealen Tätigkeit wird entstehen ein neues Gefühl, aber aus dem Gefühl entsteht not- wen- dig eine Anschauung. Dies wäre die Anschauung X, von der wir bisher gesprochen haben. Das Objekt dieser Anschauung X wäre das in dem oben beschriebenen Gefühl Begrenzte, und das ist das Ich selbst, seine ideale Tätig- keit.

Zuvörderst als Objekt der Anschauung ist das Ich ein Sein, es ist etwas. Die Begrenztheit des Ich ist im Zustande A. Das Ich ist in ihr sich selbst gegeben, es wird gefunden als Objekt. Das Anschauende in X ist die ideale Tätigkeit, welches auf dieses Sein geht.

Über die Verbindung des Fühlenden in diesem Gefühle mit der Anschauung oder über den Grund der Identität beider ist hier alles klar. Zufolge des bestimmten Gefühls entsteht ein bestimmte Anschauung, und nur mit der Anschauung entsteht das Objekt derselben und ist nicht von ihr zu trennen; das ist das Band.
Nota.
 - Ich werde mich nicht lächerlich machen und so tun, als ob ich das verstanden hätte. Wenn mir einer auf die Sprünge helfen kann, bitte ich ihn herzlich darum.
Es geht wohl darum, wie (auch) die ideale Tätigkeit beschränkt werden und ein Gefühl zeitigen könne, das seinerseits zur Anschauung eines seienden Etwas, eines Objekts überginge. In concreto: darum, das Ich zu fühlen und als seiend anzuschauen. (Will er uns auf die intellektuelle Anschauung hinführen?)
Die ideale Tätigkeit soll selber 'praktisch werden': Dies wird sie, indem sie sich durch Freiheit selbst beschränkt, das können wir schon absehen. Aber das ist nicht das Problem. Damit eine neue Anschauung möglich wird, muss in der Anschauung der Anschauung (weil letztere nun begrenzt ist) ein Gefühl entstehen. Ein unsinnliches Gefühl? Und wieder schillert dieser Begriff: Kommt ihm eine (bisher nicht beleuchtete) Qualität zu, durch die die Anschauung der Anschauung mit dem schmerzenden Fuß, der gegen einen Widerstand gestoßen ist, zu einer Einheit synthetisiert wird? Davon kann ich bislang nichts erkennen.
JE.

Ich fühle und schaue an. Ich bin in beiden Fällen dasselbe Ich, aber was ich anschaue, soll ich auch sein. Mit dieser bestimmten Anschauung X ist dies Objekt verbunden, ich fühle mich beschränkt durch mein eigenes Sein. Nun ist das das Y Anschauende nicht Objekt der Anschauung X, sondern das Sein des Ich ist Objekt dieser Anschauung. Aber das An-//96//schauen ist damit notwendig und unzertrennlich verknüpft, und dies ist das Band, woran das Ich weiter fortgeleitet wird.

Da das angeschaute Objekt Ich sein soll, so folgt daraus, dass sein Sein notwendig bestimmt ist im Setzen, durch ideale Tätigkeit eines Dinges Y; nur unter dieser Bedingung wird es angeschauht.

Das Resultat wäre dies: Aus der Veränderung erfolgt ein Gefühl derselben als eine Beschränkung der idealen Tätigkeit des Ich als eines solchen, in welcher das Ich überhaupt, und die Anschauung des Y als ein Akzidens des Ich vorkommt.

Ist kein Ich für das Ich, so ist kein NichtIch und kein Bewusstsein. Aber die Anschauung und der Begriff des Ich sind nicht möglich ohne Veränderung seines Gefühls: Wechsel des Gefühls ist sonach die Bedingung des Selbstbewusstseins und qualis talis schlechthin zu postulieren. Ein solcher Wechsel des Gefühl, den wir oben problematisch annahmen, muss also notwendig angenommen werden.
Nota.
- Ist das ein Taschenspielertrick? Angeschaut werden kann nur, wo ein Gefühl ist. Das Ich soll angeschaut werden, folglich müsste ein Gefühl dagewesen sein, und das konnte nur geschehen, indem eine Tätigkeit einge- schränkt wurde. Es ist in diesem Fall eine ideale Tätigkeit. So muss also die Beschränkung der idealen Tätigkeit in demselbem Sinn ein Gefühl zeitigen, wie die Einschränkung der realen Tätigkeit. Quod erat demonstrandum, was wir oben problematisch annahmen, dürfen wir nun kategorisch annehmen - ?
Hätte er gesagt, wenn eine Tätigkeit auf einen Widerstand stößt, dann entsteht ein XYZ, egal, ob sie real oder ideal gewesen ist - dann wäre das richtig gewesen, aber sinnlos. Denn XYZ bedeutet nicht etwas, nämlich nichts Bestimmtes, es ist nur ein leeres Zeichen. Er hat aber erst nur von der realen Tätigkeit gesprochen, und da war der Satz ohne weiteres einleuchtend, denn er hat statt XYZ das Wort benutzt, das die Deutschen für das latei- nische sensus verwenden: Gefühl. Darunter kann man sich etwas vorstellen, das kann man anschauen, man hat ein 'Gefühl' dabei. Aber eben nur, wo von realer Tätigkeit die Rede ist, für die ideale Tätigkeit gilt das nicht.
Sagen Sie nicht: Wir sind hier überall nur in der Vorstellung, es geht nicht um meinen Fuß, der gegen einen Stein stößt, sondern um meine Vorstellungstätigkeit. Wenn eine wirkliche Vorstellung wirklich auf einen Widerstand stößt, dann stellt sie sich... etwas Wirkliches vor, das meine Tätigkeit zum Bestimmen herausfordert. Das gilt für reales Vorstellen, aber nicht für das Anschauen der Anschauung: Das ist bestimmt.Es hilft nix: Er will die ideale Tätigkeit im System der Sensibilität unterbringen, und das geht nicht ohne Gewalt.
JE

Anmerkung. A) Die Anschauung X ist nichts anderes als die im vorigen Pragraphen deduzierte Reflexion. (Der Gang der Wissenschaftslehre ist: Das Ich setzt A, aber wenn A gesetzt sein soll, so muss es darauf reflektieren, darauf wieder reflektieren, und so fort.)

Über die Veränderung im Gefühle. Die erste Beschränkung A (voriger Paragraph) ist eine ursprüngliche Beschränkung meiner Natur. Aus ihr allein folgt gar nichts, denn es folgt nicht einmal die Anschauung des Ich. Ich kann aber meine Natur durch freies Handeln ausdehnen, und dann möchte etwas folgen. 

Aber ich kann nicht frei handeln, ehe ich für mich bin, wenigstens die Möglichkeit da ist, Ich sein zu können. Zu dieser Möglichkeit gehört, dass in meiner Natur eine Veränderung vorgehe, dass auf mich gewirkt, dass meine Natur affiziert werde. Die Anlage kann im Ich liegen, man braucht nicht aus ihm herauszugehen. Im gemeinen Bewusstsein muss sichs erklären durch das Vorhandensein von etwas außer mir. 

B. Die Beschränktheit der Anschauung Y, auf welche sich //97// unser bisheriges Räsonnement gestützt hat, bedeutet den Denkzwang, ein Objekt gerade so zu denken, in ihm findet Gefühl statt. Ich fühle mich innerlich gezwungen, die Dinge gerade so zu denken.

Nota.
 - Na, da haben wir es ja endlich, das unsinnliche, das intellektuelle Gefühl! Gefühl ist ein Zustand, in dem das Subjekt 'leidend' ist, nicht tätig (wiewohl es nur leidend wird, sofern es tätig ist). Insofern ist der Zustand, in dem mein Denken sich gezwungen vorkommt, ein 'Gefühl'; aber doch nur im metaphorischen, und jedenfalls nicht in dem Sinn, dass im System meiner Sensibilität eine wirkliche Veränderung stattfände! Ob er aus dieser unerlaubten Vermengung Schlüsse zieht, wird sich zeigen. Es wären unerlaubte Schlüsse.
(In den Rückerinnerungen... tritt das 'intellektuelle Gefühl' als Bürge für meine Gewissheit ein; es ist 'Glaube' im Sinne von Evidenz. Fühle ich mich im Moment der Evidenz gezwungen, oder fühle ich mich vielmehr als siegreicher Entdecker? - Metaphorische Rede hat ihre Berechtigung, wo die Begriffe nicht hin reichen, weil die Vorstellungstätigkeit im vorbegrifflichen Raum (Metapher!) dargestellt werden soll. Aber dann darf man sie nicht als Argumente verwenden, so als ob sie Begriffe wären.)
JE

Aber bin ich gezwungen, die Dinge so zu denken?

Ich kann von ihnen abstrahieren oder ich kann sie auch anders denken, also findet kein Denkzwang statt. Aber dann stelle ich das Ding nicht der Wahrheit gemäß dar; aber soll meine Vorstellung dem Dinge gemäß sein, so findet Denkzwang statt. Aber was ist denn das für eine Wahrheit, an die meine Vorstellung gehalten werden soll?


Es ist die Frage nach der Realität, die wir der Vorstellung zu Grunde legen. Unser eigenes Sein in praktischer Hinsicht ist die Wahrheit, es ist das unmittelbar Bestimmte, wovon sich weiter keine Grund angeben lässt. Diese unser eigenes Sein deuten wir durch ein Ding außer uns; dieses Ding außer uns ist seiner Wahrheit gemäß dargestellt, wenn es auf ein inneres Sein deutet. Aus einem Quantum Beschränktheit in mir folgt diese oder jene Beschränktheit außer mir.
Nota I.
 - Was ist Wahrheit? Unser eigenes Sein - und zwar in praktischer Hinsicht - ist die Wahrheit. In praktischer Hinsicht heißt: in Bestimmung zu... Wozu ist mein Sein praktisch bestimmt? Zum unendlichen Übergang vom Unbestimmten zum Bestimmten; bestimmt zum unendlichen Bestimmen. Nicht meine Bestimmtheit ist mithin die Wahrheit meines Seins, sondern das Übergehen. Das dürfte nun wohl als Kernsatz der Wissenschaftslehre gelten - wenn nämlich einer so unklug wäre, sie lehren zu wollen.
 Nota II.
 -  In Hinblick auf das Gefühl - einen Absatz tiefer kommt er darauf zurück - erhellt schonmal dies: Ein Denkzwang und das entprechende Gefühl, genötigt zu sein, stellt sich nur ein, wenn ich den Vorsatz gefasst habe, 'wahr' zu denken. Aber den kann ich nur aus Freiheit fassen. Ein 'Leiden', ein Gefühl des Gezwungenseins kommt nur vor unter Bedingung eines vorausgegangenen Akts der Freiheit. - Das ist nun ganz etwas anderes als das sinnliche Fühlen, von dem zuvor stets die Rede war.
JE

C. Noch ist die Schwierigkeit ungelöst geblieben, wie durch die Beschränkung der idealen Tätigkeit ein Gefühl entstehen könne?

Ich muss das Objekt so oder so vorstellen, wenn ich es richtig vorstellen will: Indem ich das sage, meine ich, ich könnte es auch nicht-richtig vorstellen wollen, und die Notwendigkeit meines Denkens ist nur bedingt und hängt ab von meiner Freiheit. Was ist dies für eine Freiheit und wo kommt sie vor?

Ich bin beschränkt in A; die ideale Tätigkeit, die aus dieser Beschränktheit hervorgeht, ist auch beschränkt. Diese beschränkte ideale Tätigkeit ist die Anschauung Y. Diese ist aber hier der Strenge nach nichts als eine von uns vorausgesetzte Idee, denn sie ist ja nicht für das Ich. Soll sie für das Ich etwas sein, so muss von neuem darauf reflektiert werden, das Ich muss von neuem sie setzen.

Man nehme an, diese neue Reflexion soll mit Freiheit geschehen.

Die praktische Tätigkeit lässt sich ganz unterdrücken, so dass gar keine mehr übrig wäre, sondern nur ein Streben nach ihr. Aber der Charakter dere idealen Teäigkeit ist, dass sie mir bleibe und nicht aufgehoben werden könne. Sie soll nur in //98// Y beschränkt sein, aber sie kann nicht aufgehoben werden; sie ist sonach nur zum Teil beschränkt und kann sich von dieser Beschränktheit losreißen; in der Anschauung Y ist die ideale Tätigkeit nur zum Teil beschränkt, sie kann sich losreißen mit Freiheit. Ob sie sich unbedingt losreißen müsse oder nicht, oder falls das letzte stattfinden sollte, unter welchen Bedingungen, werden wir sehen.

Das Ich soll gesetzt werden als das Anschauende, aber das Ich ist nur das Tätige und nichts anderes. Sonach muss die Anschauung als Produkt der freien Tätigkeit gesetzt werden, und nur dadurch wird sie es. Aber Tätigkeit lässt sich nach dem allgemeinen Gesetz der Anschauung nur setzen als ein Übergehen von Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Ich soll mich tätig setzen heißt, ich soll meiner Tätigkeit zusehen. Dies ist aber ein Übergehen vom Unbestimmten zum Bestimmten. Soll die Anschauung also als frei gedacht werden, so muss sie auch in demselben Moment gebundn gesetzt werden. Freiheit ist nichts ohne Gebundenheit et vice versa. Das Losreißen ist nicht möglich ohne etwas, wovon gerissen wird. Nur durch Gegensatz entsteht Bestimmtheit des Gesetzten.
Nota.
 - Dass es ein noch ungelöstes Problem ist, wie aus der Beschränkung der idealen Tätigkeit ein Gefühl entstehen könne, ist immerhin unbestritten. Auch, dass es nur durch ein Losreißen aus Freiheit zu heben sein wird. Ist aber die Umständlichkeit seines Argumentierens nur gewissenhaft, oder vielmehr rabulistisch? Das 'werden wir sehen'.
JE

Wie kann nun Freiheit und Beschränktheit der idealen Tätigkeit beisammen sein? So: Wird auf die Bestimmt- heit des praktischen (realen) Ich reflektiert, so muss auch Y notwendig so gesetzt werden, also nur die Synthesis ist notwendig. Oder: Soll die Vorstellung wahr sein, so muss ich den Gegenstand so vorstellen, ob aber diese Synthesis vorgenommen werde, dies hängt von der Freiheit des Vorstellenden ab, welches [sic] in sofern keinem Zwange unterworfen ist. 

Wir haben also jenes obige Resultat hier bestimmter und klärer so:

Ich bin beschränkt, zuvörderst praktisch. Diese Beschränkung ist wieder beschränkt durch die im Zustand des Gefühls vorgegangene Veränderung; auf diese kann ich reflektieren oder nicht. Diese Reflexion ist die bisher genannte Anschauung X. Reflektiere ich aber einmal, so kann ich mich nicht allein besschränkt setzen, sondern ich muss auch noch ein //99// Beschränkendes hinzudenken, dies ist die Anschauung Y. Reflektiere ich nicht, so bin ich für mich nicht da, und somit ist auch außer mir für mich nichts da. Indem ich nun den geschilderten freien Akt vollziehe, werde ich meiner unmittelbar bewusst. Mit jener Reflexion auf meinen Zustand und dem daraus folgenden Schlusse auf etwas außer mir ist eine Reflexion auf mich unmittelbar verknüpft, nicht in zwei besonderen Akten.

Auf die Anschauung Y soll ich reflektieren in X; soll diese Anschauung Y meine sein, so muss ich darauf reflektieren in Z, auf diese in einer Anschauung V. Dies ist nun wichtig: So gewiss eine freie Anschauung ist, so ge- wiss ist Anschauung der Ich mit verknüpft. Ich schaue mich an als anschauend; dadurch werde ich mir selbst Ich; dies kann nun nicht sein, ohne dass ich mich auch setze als gebunden, denn dadurch erhalte ich erst Haltbarkeit für mich, und so sieht man die Notwendigkeit ein, mit der Anschauung X die Anschauung Y zu verbin- den. So erhält alles bisher Gesagte erst durch die Freiheit Verständlichkeit und Haltbarkeit: An die Freiheit nur lässt sich etwas anknüpfen.
Nota.
 - An die Freiheit nur lässt sich etwas anknüpfen: Das ist nicht bloß eine weitere rhetorische Blüte. Nur aus der Freiheit lässt sich was machen - oder so ähnlich hieß es schon früher. Aber hier geht es um Anknüpfen: Sofern in Sachen Bewusstsein irgendetwas geschieht, geschieht es nicht aus vorliegenden Ursachen, sondern aus Absichten, und dies immer wieder neu, sonst würde nichts folgen. Die Idee der Freiheit hat nur Sinn, wenn ich sie mir dynamisch vorstelle, als eine unablässig drängende, und andersrum ist Dynamik - wir bleiben immer innerhalb des Bewusstseins - nur durch Freiheit denkbar.
Nota II.
 - Die Frage, wie aus der (Selbst-) Beschränkung der idealen Tätigkeit ein Gefühl entsteht, verfolgt er nicht weiter, mindestens nicht an dieser Stelle.
JE

Es ist auch gesprochen worden von einem Gefühle. Seine [des praktischen Ichs] Beschränktheit wird mit Freiheit gesetzt, es wird auf sie reflektiert. Diese Beschränktheit ist das Gefühl. Denn wenn ein Ich beschränkt wird, so entsteht ein Gefühl, sonach hängt das Gefühl selbst mit ab von der Freiheit; es ist kein Gefühl, wenn nicht mit Freiheit darauf reflektiert wird. Ich muss dem Gefühle mich hingeben, sonst fühle ich nicht. Aus dem Gefühle folgt freilich alles von selbst, aber dass nur ein Gefühl entstehe, dazu gehört, dass das Ich sich gleichsam dem Gefühle entgegnsetzen müsse, wenn ein Gefühl und ein Resultat desselben für das Ich vorhanden sein soll.

Die ideale Tätigkeit, die dem Ich zugeschrieben wird, die mit dem Bewusstsein der Freiheit gesetzt wird, ist ein Begriff; sonach ist das, was wir bisher bloß als Anschauung charakterisiert haben, ein Begriff, die Anschauung. Der Charakter des Begriffs von der Anschauung wäre der: dass in der Anschauung das Ich gesetzt werde als gebunden, im Begriff aber als frei. Daher die Anschauung an sich nichts, oder, wie Kant sagt, //100// blind ist, der Begriff aber leer an sich, wenn sich das Ich nicht beschränkt findet durch die Anschauung.
Nota.
- Dass kein Gefühl da ist, wenn ich nicht mit Freiheit darauf reflektiere, muss er aber noch ein wenig erläutern! Wenn ich unterließe, mit Freiheit darauf zu reflektieren, bräuchte ich bei der Blinddarmoperation keine Betäubung; ich muss mich dem Gefühl hingeben, sonst fühle ich nicht? Der Fakir muss auf etwas ganz anderes reflektieren - sich 'ihm hingeben'? - als das Gefühl, um sich eine Nadel durch die Zunge stechen zu können.
Es hilft mal nichts: Wo von Gefühlen die Rede ist, kann ich mir etwas anderes als ein grob Sinnliches nicht vorstellen.
JE




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