S. 211 - 220

Dogmatiker, die doch moralische und religiöse Gesinnung haben, sind genötigt zu sagen: Gott habe die Welt erschaf-//211//en. Gott ist bei ihnen reine Intelligenz. Dessen [sic] Bestimmungen können doch nur in Begriffen bestehen. So verhält sichs hier mit dem Ich, es ist Intelligenz und seine Bestimmungen sind bloße reine Begrif- fe. Fürs Ich ist auch eine materielle Welt da, es müssten sonach diese reinen Bewgriffe sich verwandeln in eine materielle Welt. Aber nur in eine materielle Welt nur für sie [für die Intelligenz], bei Gott aber auch für eine andere, in eine selbstständige materielle Welt. 

Ersteres muss der transzendentale Idealist erklären. Er muss daher zeigen, wie die reinen Begriffe sich in einer Ansicht in materielle Substanzen verwandeln. Dies ist hier gezeigt bis zur Versinnlichung unserer selbst.
Nota.
 - Aufgabe der dogmatischen Philosophie wäre: darzustellen, wie die materiellen Substanzen sich selber in Begriffe verwandeln; was ihr nicht gelingt, weil die Materie nicht als selber tätig gedacht werden kann (ohne aufzuhören, Materie zu sein). Die endliche Intelligenz ist Agilität schlechthin, es war zu zeigen, wie daraus Begriffe entstehen können; nur daraus.
  JE

Dies war das erste in der Synthesis, dass der bloße reine Begriff versinnlicht wurde, das zweite ist: dass die Einbildungskraft hindurch erblickt wurde durchs reine Denken, und dadurch bestimmt wird. Nun entsteht die Wechselwirkung: Das erste Bestimmbare wird selbst zu einem ganzen Systeme, wird zu einem Leibe; aber in Beziehuung auf das Bestimmte, ohne unser Zutun Vorhandene [wird es] die ganze Welt.

Auf das Bestimmen und das Bestimmte gründet sich die ganze Einteilung des Ich. Das erste Bestimmbare, das in der Substanz liegt, wird, insofern es durch das reine Denken aufgefasst wird, als ein Ganzes [aufgefasst], denn das Denken ist stets ein Ganzes, und erhält, bezogen auf die Duplizität des Bestimmens und Bestimmtseins als Ganzes, doppelte Ansicht: Es ist in Beziehung auf das Bestimmende mein Leib, in Beziehung auf das Bestimmt- sein die ganze Welt.

Also ich=x, ich Seele, ich Leib ist ganz einerlei, es sind bloß doppelte Ansichten; weiter: Ich Leib und Sinnen- welt außer mir ist wieder einerlei und eine besondere Ansicht. Alles in der Wissenschschaftslehre beruht auf Duplizität der Ansicht. Zwischem dem Höchsten, ich=x, und dem Niedrigsten der formlosen Substanz liegen verschiedene Glieder, die in der doppelten Beziehung auf Obiges bald subjektiv, bald objektiv sind; aber ich bin für immer selbst der Gegenstand; ich selbst bin mir unbegreiflich, Subjektobjekt, welches doch ursprünglich als eins gedacht werden soll.
Nota.
- Ich erblicke dieses durch jenes hindurch - das sind keine Begriffe. Dieses und Jenes und Erblicken sind Bilder, man muss sie sich lebhaft vorstellen, sie sind kein begriffenes Guthaben, das man zu Buche schlagen und... jemand anderm zur Prüfung vorlegen kann. Den andern kann man immer nur einladen, es selber zu versuchen; zwingend aus gemeinsamen Prämissen argumentieren kann man hier nicht, es kann sich jeder sträuben, wie er will. Der Form nach ist es mehr Kunst als Wissenschaft. Aber nur der Form nach; der Sache nach ist es jedem zuzumuten, einer besonderen Begabung oder Berufung bedarf es nicht, nur der Absicht.
 JE

Dieses Ich des //212// empirischen Bewusstseins kann gesetzt werden lediglich in der Zeit, dann ists Seele, oder versinnlicht im Raume ists Leib, und derselbe ist wieder nichts anderes als die Welt, alles ist eins und dasselbe, nur in verschiedenen Ansichten.Das reine Denken wird hindurch gesehen durch die Einbildungskraft in der Synthesis A und die Einbildungskraft umgekehrt [hindurch gesehen durch das reine Denken]

Dadurch entstehr Duplizität, und der Begriff der Substantialität wird vollendet, sie wird erst ein geschlossenes Quantum, und ein Akzidens wird auf die Substanz bezogen, durch sie hinduch erblickt. Es wird ein Akzidens darauf bezogen in Hinblick auf das Bestimmende - der unter allen möglichen Akten ausgewählte einzige Akt; in Beziehung aufs Bestimmte die unter allen übrigen ausgewählte Materie. 

Die Substanz bin, wenn das Bestimmende erblickt wird, ich, wie ich mir auf dem Gesichspunkte des gemeinen Bewusstseins erscheine, da bin ich Leib; das Bestimmte in ersterer Rücksicht ist mein Akt, das Bewegen meiner Hand z. B.; dasselbe Akzidens ist, auf die Welt bezogen, das in der Sinnenwelt durchs Bestimmende Bewirkte, z. B. der gechriebene Buchstabe.

Anmerkung. Substantialität wird nicht ohne Kausalität gedacht und Kausalität nicht ohne Substanz. Das Akzidens ist nie etwas anderes als bestimmte Äußerung der inneren Kraft, und die Substanz wäre das wirkende Vermögen, das immer angesehen wird als wirken könnend auf verschiedene Weise. Und umgekehrt, Wirksamkeit lässt sich nicht denken ohne Beziehung auf eine Kraft, und diese ist gleich dem Zentrum des Innern der Substanz selbst.

Die Synthesis beider Kategorien ist die Kategorie der Wechselwirkung, die sich auf die Notwendigkeit gründet, das äußere [Vermögen] vom reinen Vermögen abzuleitren und umgekehrt. Sie ist Kategorien der Kategorien, Substantialität und Kausalität sind koordiniert, aber beide der Wechselwirkung subordiniert.

Alles, was wir denken, sind Verhältnisse. Das sagt gewissermaßen auch Kant, doch ohne weitere Anwendung; die dritte Kategorie sei immer die Vereinigung der beiden ersten der Substantialität und Kau-//213//salität. Dies ist richtig und vortrefflich. Kant wollte allerdings einen reinen Idealismus aufstellen. Aber von dem bloß philosophischen Gesichtspunkte aus, da man über der Substanz schwebt, findet man Wechselwirksamkeit und Substantialität mit Kausalität selbst koordiniert.
Nota. 
Hegel hat in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes Amerika neu entdeckt: Die Substanz müsse 'auch als Subjekt gefasst' werden; doch das hat schon Spinoza nicht anders gehalten. * Dabei lehrt schon der gesunde Menschenverstand: Nur als Subjekt kann eine Substanz überhaupt gedacht werden Die Wissenschaftslehre fügt nun aber hinzu: Das Subjekt ist gar nicht, sondern muss sich als solches immer erst setzen.
*) Ein reiner Objektivismus – Eleaten? – würde sagen: Die Subjekte mögen tun, was sie wollen; die Substanz liegt ihnen doch immer zu Grunde.
Nota II. 
- Es ist nicht überflüssig anzumerken, dass nicht von reellen physikalischen Phänomenen die Rede ist, sondern von den Vorstellungen, die wir ihnen unterlegen.
JE
§ 17 [Zusammenfassung]

Das Ich ist, wie bekannt, das durch sich selbst Tätige und durch diese Tätigkeit auf sich Wollende. Das Ich findet sich heißt offenbar, es findet sich tätig auf sich selbst. Dass das Ich sich wollend findet in dieser Tätigkeit auf sich selbst kommt daher, weil sein ursprünglich nicht weiter abzuleitendes, sondern für alle Erklärung voraus zu setzendes Wesen ein Wollen ist, jedes Objekt der freien Reflexion auf sich selbst sonach sein Wollen werden muss. -

Anmerkung. A. Wollen ist zuvörderst ein selbsttätiges Bestimmen, alles Bestimmen ist durch die Einbildungskraft vermittelt, es ist ein tätiges Bestimmen zu einem Zweckbegriffe. Sonach ist der ganze Begriff des Wollens sinnlich, alles Wollen ist Erscheinung, das reine Wollen wird bloß als Erklärungsgrund vorausgesetzt, es ist in unserer Vorstellung und Sprache nicht zu fassen; = absolute Selbstheit, Autonomie, Freiheit, alles ist gleich unbegreiflich. Die Freiheit lässt sich nur negativ beschreiben, durch: nicht bestimmt zu werden - abermals sinnlich.

Kurz, es ist das, was möglich macht, dass ich mich als selbsttätig, als Ich denken kann. Dieses ist das Materiale in allem Bewusstsein. Um das Formale zu erklären, muss man die Reflexion voraussetzen. Dies ist =X, das Absolute, das nur Grund ist, es liegt in demselben absolutes Subjektives und absolutes Objektives.

Jede Reflexion ist ein sich-Bestimmen, und dieses schaut das Reflektierende unmittelbar an; aber es schaut dasselbe an durch die Einbildungskraft hindurch, sonach als ein bloßes Vermögen der Selbstbestimmung, und durch dieses abstrakte Denken (als Vermögen) entsteht das Ich für sich selbst //214// als etwas, als ein rein Geistiges, lediglich Ideales, und wird seiner Tätigkeit des bloßen Denkens und Wollens als einer solchen sich bewusst. 

Nun ist aber diese Reflexion ein sich-Bestimmen, aber der oben beschriebene Akt der Einbildungskraft ist ein Akt des Ich und wird sonach bestimmt. Demnach wird in demselben ungeteilten Akte das reine Denken durch die Einbildungkraft versinnlicht und das durch die Einbildungskraft Versinnlichte durch das reine Denken bestimmt (Wechselwirkung des Anschauens und Denkens). Durch diese Bestimmung entsteht ein geschlossenes Vermögen des Ich als sinnliche Kraft und eine Bestimmtheit desselben (Begriff der Substantialität). Zu der Bestimmtheit dieser sinnlichen Kraft wird ein Objekt hinzugdacht und durch sie im Denken bestimmt (Begriff der Kausalität).

Populäre Wiederholung 

Das sich Bestimmende, sich selbst zu etwas Bestimmten Machende ist das Ich. 'Das Ich findet sich' heißt daher: Es findet dieses sich-selbst-Bestimmen, denn es ist nicht, wie der Dogmatiker sagt, so, dass die Begriffe in mir als etwas fertiges Erstes lägen. Und 'Dies ist der erste Begriff' heißt selbst: Er wird erzeugt aus einem Mannigfaltigen, welches dargelegt ist. Dass dies sich-Machen-zu-einem-Bestimmten gefunden werde, dazu gehört Vergleichung meines Seins (des Bestimmten) und meines Tuns (des Machens zu diesem Bestimmten).

Aber wie weiß ich, dass ich es tue? Dies dadurch, dass ich unmittelbsr von meinem Tun weiß, und dass ich selbst das sei, weiß ich [dadurch], dass ich unmittelbar von diesem Sein weiß. Darauf bedarfs keiner weiteren Antwort; also bloß darauf, wie ich wisse, dass aus jenem meinem Tun dieses Sein folge; und die Lösung dieser Aufgabe wäre die Deduktion des Selbstbewusstseins und mit ihm alles anderen Bewusstseins. -

Tun und Sein sind ganz dasselbe, nur von verschiedenen Seiten angesehen. Diese doppelte Ansicht muss sein, wenn ein Ich sein soll, aus ihr geht erst das Ich hervor. Sieht das Ich sein reines Denken durch die Einbildungskraft hindurch, so entsteht ihm ein //215// Tun. Denkt es das wieder, was durch die Einbildungskraft dargestellt ist, so wird es zum Sein. Das reine Denken und Wollen macht also notwendig das Ich aus. Wie ein Ich gesetzt ist, ist es gesetzt; wie ein Ich gesetzt ist, ist ein Bewusstsein gessetzt wie das beschriebene.

- Das Ich ist kein einfacher Begriff, da es überhaupt keinen einfachen Begriff gibt; es ist zusammengesetzt auf die beschriebene Weise.
Nota.
 - 'Da es überhaupt keinen einfachen Begriff gibt': natürlich nicht, denn der Begriff ist nicht originär, originär ist das Gefühl. Der Begriff ist doppelt reflektiert, er ist das Produkt idealer Tätigkeit. Nur als Begriff gibt es ein Sein.
JE










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