Sonntag, 18. Juni 2017

Inhalt

Fichte's Vorlesungen über die Wissenschaftslehre,
gehalten zu Jena im Winter 1798-99 
nachgeschrieben von K. Chr. Fr. Krause
in:
Joh. Gottl. Fichte,  
Wissenschaftslehre nova methodo
Felix Meiner Verlag Hamburg
(1982)


Fichte hat seinen mündlichen Vortrag der Wissenschaftslehre nova methodo in Paragraphen unterteilt, deren inhaltliche Zusammenfassung er seinen Hörern jeweils am Schluss in die Feder diktierte. K. Chr. Fr. Krause hat zu seinem persönlichen Gebrauch als Dozent diese Zusammenfassung später gesondert zusammengestellt. 

Die Versuchung für eilige Studenten, die mühsame Arbeit durch den Text durch Überfliegen der Zusammenfassungen zu ersparen, ist klein, denn außerhalb des Textzusammenhangs sind sie ganz unverständlich. Größer wäre schon die Versuchung, einzelne 'Stellen' gegen andere Stellen in den ausgearbeiteten Fassungen auszuspielen. Da aber Fichte nicht müde wird zu wiederholen, seine Sätze seien ohnehin stets nur aus dem Zusammenhang zu verstehen, und auf eine feste Terminologie bewusst verzichtet hat, kann das nicht weit führen. 

Die vorliegenden Zusammenfassungen haben den Zweck, aus dem Dickicht dialektischer Spitzfindigkeiten immer wieder den roten Faden herauszuheben; und das ist nicht überflüssig.
JE


§ 1.

(Diktiert, 1798) Alles Bewusstsein ist begleitet von einem unmittelbaren Selbstbewusstsein, genannt intellektuelle Anschauung, und nur in Voraussetzung dessen denkt man. Das Bewusstsein aber ist Tätigkeit, und das Selbstbewusstsein insbesondere in sich zurückgehende Tätigkeit der Intelligenz, oder reine Reflexion.

Anmerkung. 

Alles zufolge angestellter Selbstbeobachtung. Diese reine Reflexion als Begriff angesehen wird gedacht durch ich. Ich setze mich sonach schlechthin durch mich selbst, und durch dieses Selbstsetzen ist alles andere Bewusstsein bedingt.

In diesem Collegio wird experimentiert, das heißt, die Vernunft wird gezwungen, auf gewisse planmäßige Fragen zu // antworten, die Resultate unserer Experimente fassen wir dann in Begriffe zum Behuf der Wissenschaft und des Gedächtnisses.  S. 34//35

§ 2.

(diktiert 1798) Jene Tätigkeit der Reflexion als solche, durch welche die Intelligenz sich selbst setzt, wird, wenn sie angeschaut wird, angeschaut als eine sich bestimmende Agilität, und diese wird angeschaut als ein Übergehen aus dem Zustande der Ruhe und Unbestimmtheit, die jedoch bestimmbar ist, zu dem der Bestimmtheit. Diese Bestimmbarkeit erscheint hier als das Vermögen, Ich oder NichtIch zu denken, und es werden sonach in dem Begriffe der ersten die beiden letzten Begriffe notwendig mitgedacht und einander gegenüber gesetzt. Beide Begriffe erscheinen sonach bei Erregung der selbsttätigen Reflexion als etwas unabhängig von derselben Vorhandenes, und der Charakter des NichIch ist das Sein, eine Negation.

§ 2. Man werde ferner finden, wird behauptet, dass man sich im Entwerfen des Begriffs vom Ich nicht tätig setzen könne, ohne diese Tätigkeit als eine durch sich selbst bestimmte, und diese nicht ohne ein Übergehen von der Unbestimmtheit oder Bestimmbarkeit zu setzen, welches Übergehen eben die bemerkte Tätigkeit ist ( N. 1 et 2 supra). Den durch die bestimmte Tätigkeit entstandenen Begriff könne man gleichfalls nicht fassen, ohne ihn durch ein entgegengesetztes NichIch zu bestimmen, das Bestimmbare sei dasselbe, was oben das Ruhende war (§1), weil es eben zur Tätigkeit bestimmt wird, und das, was in Beziehung auf die Anschauung des Ich Begriff desselben sei, sei [in Beziehung] auf das NichtIch Anschauung. //44// Es sei nämlich Begriff des Anschauens (N. 4). Dem NichtIch komme zu Folge der Entgegensetzung zu der Charakter der Negation der Tätigkeit, das ist der des Seins, welcher der Begriff aufgehobener Tätigkeit, sonach nicht ein irgend ursprünglicher, sondern ein von der Tätigkeit abgeleiteter und negativer sei. S. 43//44

Man werde finden, dass dieses Übergehen (§ 2) seinen Grund habe schlechthin in sich selbst. Die Handlung dieses Übergehens heißt daher reale Tätigkeit, die der idealen, welche die erste bloß nachbildet, entgegengesetzt, und dadurch das Ich überhaupt in diese beide Arten derselben eingeteilt wird. Nach dem Grundsatze der Bestimmbarkeit ist ein reales Handeln nicht zu setzen ohne ein reales oder praktisches Vermögen. Reale und ideale Tätigkeit sind durch einander bedingt und bestimmt, eine ist nicht ohne die andere, und was die erste sei, lässt sich nicht begreifen ohne die andere. 

In diesem Akte der Freiheit wird das Ich sich selbst Objekt. Es entsteht ein wirkliches Bewusstsein, an dessen ersten Punkt von nun an alles angeknüpft werden muss, was überhaupt Objekt desselben sein soll. Die Freiheit ist sonach der höchste Grund und die erste Bedingung alles Seins und alles Bewusstseins. S. 51

Die Selbstbestimmung durch Freiheit ist nur als Bestimmung zu etwas anschaubar, von welchem das sich selbst Bestimmende oder Praktische einen Begriff habe, der der Begriff vom Zweck heißt. Sonach werde dem Anschauenden das Subjekt des praktischen Vermögens zugleich zu einem Vermögen der Begriffe, so wie umgekehrt das Subjekt des Begriffs oder die Intelligenz notwendig praktisch sein muss. Beides, praktisches Vermögen und Intelligenz, ist unzertrennlich. Eins lässt sich ohne das andere nicht denken. Die Identität beider ist sonach der Charakter des Ich. S. 55
 
Das Bestimmbare wird der Anschauung zu einem ins Unendliche teilbaren Mannigfaltigen, weil es Objekt einer freien Wahl für die absolute Freiheit sein soll; dem Bestimmten als einem Teile desselben muss dasselbe zukommen, und darin  sind sie beide gleich. Unterschieden sind sie darin, dass in dem ersten eine bloß als möglich, das ist, durch die zwischen Entgegengesetzten schwebende Intelligenz gesetzte, in dem zweiten eine durch die an eine bestimmte Folge des Mannigfaltigen geknüpfte Intelligenz gesetzte Handlung angeschaut wird. Handlung ist Tätigkeit, der unaufhörlich widerstanden wird, und nur diese Synthesis des Widerstandes ist es, durch die eine Tätigkeit anschaubar ist. S. 63
 
Eine freie Handlung ist (§4) nur möglich nach einem frei entworfenen Begriff von ihr, sonach müsste die freie Intelligenz vor aller Handlung vorher eine Kenntnis von den Handlungsmöglichkeiten haben. Eine solche Kenntnis lässt sich nur dadurch erklären, dass dem Ich vor aller Handlung vorher ein Trieb beiwohne, in welchem eben darum, weil er nur // Trieb ist, die innere Tätigkeit desselben beschränkt sei. 

Da dem Ich nicht zukommt, als was es sich nicht setze, so muss es diese Beschränkung setzen, und so etwas nennt man ein Gefühl. Da durch die Freiheit gewählt werden soll, muss es ein Mannigfaltiges von Gefühlen geben, welches nur durch seine Beziehung auf das gleichfalls notwendige ursprünglich vorhandene System der Gefühle überhaupt unterscheidbar sein kann.

 

Confer compendium.

Als das Höchste und Erste im Menschen wird sowohl in der alten* als neuen** Bearbeitung das Streben oder der Trieb angenommen.

Gegenwärtig wird vom unmittelbaren Objekte des Bewusstseins, von der Freiheit, ausgegangen und die Bedingungen derselben aufgesucht. Die freie Handlung ist das Wesentlichste unsrer Untersuchung. In der ehemaligen Behandlung wurde die freie Handlung, das Streben und der Trieb nur gebraucht als Erklärungsgrund der Vorstellungen und der Intelligenz, welches dort der Hauptzweck der Untersuchung war. In der gegenwärtigen Behandlung ist das Praktische unmittelbar Objekt, und aus ihm wird das Theoretische abgeleitet, so wie ferner in ihr mehr der Gang der Synthesis, in jener aber mehr der Gang der Analysis herrscht.

Ideales und Reales liegt nebeneinander und bleiben immer abgesondert. Im Buche* ist zuförderst das erste bestimmt und das zweite von ihm abgeleitet. Hier** wird umgekehrt mit dem Praktischen angefangen und dies wird abgesondert, so lange es abgesondert ist und nicht mit dem Theoretischen in Beziehung steht. Sobald aber beide zusammenfallen, werden sie beide miteinander abgehandelt. Somit fällt die im Buche in den theoreti-schen und den praktischen Teil gemachte Einteilung hier weg. 

In beiden Darstellungen wird ausgegangen von einer Wechselbestimmuung des Ich und NichtIch. 
S. 72//73

Mit dem Gefühle ist eine Anschauung notwendig verbunden, denn das Gefühl ist Begrenztheit; aber eine Begrenztheit ist nichts ohne Gegensatz der Tätigkeit; aber dasjenige im Ich, was notwendige Tätigkeit bleibt, ist sein ideales Vermögen. Der Vereinigungspunkt des Gefühls und der Anschauung ist der, dass das Ich sich, indem es in realer Rücksicht sich begrenzt fühlt, sich in idealer anschauend fühlt. 
 
In wiefern die Anschauung auf die Begrenztheit geht - welche Begrenztheit dadurch, dass die Anschauung auf sie geht, bloßes Objekt ohne alle Beziehung auf ein Subjekt wird -, wird sie gefühlt als gebunden in der Darstellung des Objekts; aber ein solches Gefühl ist nicht möglich ohne ein entgegengesetztes der Freiheit. Die Anschauung wird sonach auch in anderer Rücksicht als frei gefühlt und ist in sofern Anschauung des Ideals. S. 87
 

Mit der Anschauung des NichtIch ist die Anschauung des Ich notwendig verknüpft, und die erstere wird nur durch die letztere eine Anschauung. Um aber diese letztere zu erklären, muss eine Veränderung des Zustands des Gefühls oder eine Begrenzung der Begrenztheit angenommen werden, durch welche das Ich in der ersten Anschauung (des NichtIch) selbst begrenzt werde; [und dass?] aus ihr das Gefühl dieser besonderen Beschränkung der idealen Tätigkeit, und aus ihr eine Anschauung derselben entstehe.

Der Vereinigungspunkt beider Anschauungen ist der: dass reine Gebundenheit in der ersten Anschauung gesetzt werden kann, ohne dass ihr Freiheit entgegengesetzt werde. Alle Freiheit kommt aber dem Ich zu, und lediglich dadurch wird die letztere Anschauung [zur] An-//schauung des Ich. Eine Anschauung aber mit Bewusstsein des Anschauenden heißt Begriff. Sonach entsteht durch die postulierte Veränderung im System der Gefühle der Begriff des Ich und des NichtIch. S. 100//101
 

Der Inhalt der gesamten Wissenschaftslehre lässt sich kurz in folgenden Worten vortragen: 

Dass ich mir überhaupt etwas bewusst werden kann, davon liegt der Grund in mir, nicht in den Dingen. Ich bin mir Etwas bewusst; das einzige Unmittelbare, dessen ich mir bewusst bin, bin ich selbst; alles andre macht die Bedingungen meines Selbstbewusstseins aus. Vermittelst des Selbstbewusstseins mache ich mir die Welt bewusst. - 

Ich bin mir Objekt des Bewusstseins nur im Handeln. Wie ist die Erfahrung möglich? heißt: Wie kann ich mir meines Handelns bewusst werden? Auf die Beantwortung dieser Frage geht alles aus, und wenn sie beantwortet ist, so ist unser System geschlossen.

Bis jetzt haben wir dies gefunden: Ich muss, wenn ich mich als handelnd setzen soll, mir irgend eines Zweckbegriffs bewusst werden. Mit der Beantwortung der Frage: Wie ist ein Zweckbegriff möglich? beschäftigen wir uns noch. Bisher haben wir gesehen, wie ein Begriff überhaupt möglich sei. Eigentlich ist von allem, was wir bisher aufgestellt haben, nichts ganz möglich, bis wir zu Ende sind, denn wir haben noch immer Bedingungen der Möglichkeit aufzustellen. Die Möglichkeit des Einzelnen lässt sich nur aufzeigen, wenn die Möglichkeit des Ganzen dargetan ist. 
 
Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge-//wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.

Wir sind so verfahren: Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Gefühl; ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühle muss eine Veränderung stattfinden, dies ist Bedingung des Bewusstseins. Ich bin in der Beschränktheit beschränkt, werde also auch in der Anschauung Y beschränkt. Aus jeder Beschränkung entsteht ein Gefühl, mithin müsste auch hier ein Gefühl entstehen, das Gefühl des Denkzwangs, und mit diesem [die] Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das An-schauende selbst gesetzt wird, die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein Begriff vom Dinge, hier von Y. S. 101/102
 

Das Begreifen ist eine freie und als frei gesetzte Reflexion auf die vorher gesetzte Anschauung (Y). Aber die Freiheit der Reflexion auf sie kann nicht gesetzt werden, außer in wiefern sie überhaupt erst gesetzt ist. 

Wir erhalten somit eine doppelte Ansicht der Reflexion und mit ihr des Gegenstandes (die doppelte Ansicht der Reflexion nämlich ist für den Philosophen, die des Gegenstandes für das Ich). Einmal die Reflexion als solche, ohne dass über sie reflektiert werde, und dies gibt das ohne Zutun des Ich vorhandne Ding, einmal die Reflexion als eine Bestimmung der Freiheit und selbst reflektiert, und dies gibt die Vorstellung des Dinges. S. 107

§ 10. A.

Das Begreifen wird als frei gesetzt heißt: Die Intelligenz setzt als geschehen könnend oder auch nicht, und zwar eine gewisses // Handeln überhaupt (denn außerdem würde gar nichts gesetzt). Es wird sonach das Handeln überhaupt gesetzt; gesetzt, dass es geschehen könne oder nicht, welches letztere nicht möglich ist, ohne dass das erste überhaupt gesetzt sei. 

Sonach ist dieses Handeln überhaupt nicht für die Intelligenz außer als ein freies, ohne dass es überhaupt für sie sei. Aber das Ich schaut sein bloßes Handeln als ein solches an, als ein Linienziehen, sonach das unbestimmte Vermögen dazu als den Raum. S. 110//11

§ 10.B

Da das Setzen des Objekts und das Setzen des Handelns im Ich notwendig vereinigt sind, so muss auch das erstere (Objekt) und das Schema des letzteren notwendig vereinigt sein. Aber Vereinigung des Objekts mit dem Raume ist Erfüllung desselben, alles Objekt wird sonach notwendig raumerfüllend, materiell. 

Die Freiheit der Intelligenz besteht (äußert sich) in der Synthesis eines durch Gefühlsprädikate bestimmten Objekts mit einem durch absolute Spontaneität bestimmten Orte im Raume, und dadurch wird der Raum ein stetiger und er sowohl als die Materie teilbar ins Unendliche. Die Bestimmtheit derselben (Intelligenz), ohne welche die erstere (Freiheit) und ohne welche die erstere nicht möglich ist, besteht darin, dass das Objekt in einem Raum überhaupt gesetzt und der Raum mit Materie überhaupt angefüllt sein muss. Kein Raum ohne Materie et vice versa.

Dadurch ist Notwendigkeit, aber dass dieses Objekt nicht gerade in // diesem Raume sei und dieser Raum nicht gerade zu diesem Objekt gehöre, ist Freiheit. S. 115//116


Jedes Objekt erhält seinen Ort im Raume in Beziehung auf das Vorstellende, und außer dieser Beziehung ist keine Ortsbestimmung möglich. Aber das, wodurch ein andres im Raume bestimmt werden soll, muss selbst in ihm sein. Das Vernunftwesen setzt sonach sich selbst in den Raum als praktisch strebendes Wesen.

Diese neuerlich gefühlte und bei dem notwendig mit dem Gefühle vereinigten Anschauen des Objekts in die Form der Anschauung aufgenommene Streben ist der ursprüngliche und unmittelbare Maßstab für alle Ortsbestimmung. Es ist nicht möglich, etwas in den Raum zu setzen, ohne sich selbst darinnen zu finden, außer indem man Objekt darin setzt. S. 122

Unser Streben oder unser praktisches Handeln ist nach dem vorigen Paragraphen der Maßstab aller Raumbestimmung. Innere oder reine Kraft ist die unmittelbar und also intellektuell angeschaute Wirksamkeit des Wollens, durch welche das ganze freie Vermögen des Ich sich auf einen Punkt richtet. Äußere oder physische Kraft ist eben diese Energie, von der sinnlichen Anschauung durch eine Zeitreihe ausgedehnt, in welcher das Mannigfaltige des durch Kausalität des // Wollens bestimmten Gefühlsvermögens in das Verhältnis der Dependenz gebracht wird, durch welches Verhältnis allein es in die Einheit des Bewussseins aufgenommen werden kann; aber eine solche physische Kraft kann nur in einer realen Wirksamkeit gesetzt werden, folglich ist die Ortsbestimmung der Dinge und daher das Bewusstsein selber nur zufolge einer reellen Wirksamkeit möglich. S. 134//135

Reelle Wirksamkeit ist nur möglich nach einem Zweckbegriffe und ein Zweckbegriff nur unter der Bedingung einer Erkenntnis, und diese [ist] nur unter der Bedingung einer reellen Wirksamkeit möglich; und das Bewusstsein würde durch einen Zirkel, und also gar nicht erklärt. 

Es muss daher etwas geben, das Objekt der Erkenntnis und der Wirksamkeit zugleich sei. Alle diese Merkmale sind nur in einem allem empirischen Wollen und aller empirischen Erkenntnis vorauszusetzenden reinen Willen vereinigt. Dieser reine Wille ist etwas bloß Intelligibles, wird aber, inwiefern er sich durch ein Gefühl des Sollens äußert und zufolge dessen gedacht wird, aufgenommen in die Form des Denkens überhaupt als ein Bestimmtes im Gegensatz eines Bestimmbaren, dadurch werde ich das Subjekt dieses Willens, ein Individuum, und als Bestimmbares dazu wird mir ein Reich vernünftiger Wesen.

Aus diesem reinen Begriffe lässt sich ableiten und muss abgeleitet werden das gesamte Bewusstsein.
S. 152



Der reine Wille ist unmittelbares Objekt alles Bewusstseins und aller Reflexion (§ 13); aber die Reflexion ist diskursiv; er, der reine Wille, müsste sonach ein Mannigfaltiges sein. Dies ist er ursprünglich nicht, sondern wird es erst durch Beziehung auf seine Beschränktheit, wodurch er Wille wird, in der Reflexion selbst, welche absolut frei ist, und deren Freiheit und ganzes Wesen überhaupt in dieser Beziehung besteht, teils dass sie überhaupt geschehe, teils dass sie so oder anders geschehe. Diese Reflexion erscheint als ein Wollen, in wiefern sie selbst bloß gedacht, und als ein Tun, in wiefern sie angeschaut wird. Und sie ist der Grund alles empirischen Bewusstseins.

Im einzelnen Akte derselben erblickt das Vernunftwesen sich in doppelter Rücksicht, teils als beschränkt, teils als handelnd in der Beschreibung der Beschränkung; das erste äußerlich, das letzte innerlich, und dadurch schreibt es sich zu ein Organ überhaupt, und dieses als innerliches und äußerliches. Die Beziehung der Beschränktheit auf die Reflexion ist das Gefühl. Das Beschränkende ist nur für die ideale Tätigkeit im Denken der realen, und so ist die unmittelbare Vereinigung der Erkenntnis des Objekts mit dem Willen erklärt. S. 165



Aber die Beschränktheit ist nicht Beschränktheit des Ich und ist nicht für das Ich, wenn nicht das Ich selbst sie zufügt. Sonach kann die ursprüngliche Beschränktheit des Willens nichts anderes bedeuten, als eine Aufgabe für das Ich, seinen Willen selbst zu beschränken, und die besondere Ankündigung dieser Aufgabe im empirischen Bewusstsein kann nichts anderes sein als ein Begriff, durch welchen eine bestimmte Selbstbeschränkung gefordert wird, durch dessen Auffassung erst Gefühl und Anschauung entsteht. Alles Bewusstsein geht sonach vom Denken eines lediglich Intelligiblen aus. S. 172
 
Diese Aufgabe, sich selbst zu beschränken, ist von einer anderen Seite angesehen Aufforderung zu einer freien Tätigkeit (da sie nicht erscheint als hervorgehend aus dem Individuo, sondern einer Vernunft außer uns); aber es ist keine Bestimmung durch uns selbst, wenn sie nicht durch ein wirkliches Wollen begleitet ist, es schließt sonach das Bewusstsein eines wirklichen Wollens an jene Wahrnehmung einer Aufforderung zur Freiheit sich an. 

Anmerkung: Die Hauptschwierigkeit war: Das Bewusstsein kann weder durch Wollen noch Erkennen allein angeknüpft werden, sondern von beiden; aber diese sind von einander unabhängig? - Allerdings hebt es von beiden an, nur ist die Erkenntnis, von der es anhebt - Aufforderung zur freien Tätigkeit -, Kenntnis davon, dass uns ein Zweck gegeben wird; an diese schließt sich in demselben Moment ein Wollen an. In diesem X ist Wol- len und Erkenntnis vereint. S. 178



Das Ich ist, wie bekannt, das durch sich selbst Tätige und durch diese Tätigkeit auf sich Wollende. Das Ich findet sich heißt offenbar, es findet sich tätig auf sich selbst. Dass das Ich sich wollend findet in dieser Tätigkeit auf sich selbst kommt daher, weil sein ursprünglich nicht weiter abzuleitendes, sondern für alle Erklärung voraus zu setzendes Wesen ein Wollen ist, jedes Objekt der freien Reflexion auf sich selbst sonach sein Wollen werden muss. -

Anmerkung. A. Wollen ist zuvörderst ein selbsttätiges Bestimmen, alles Bestimmen ist durch die Einbildungskraft vermittelt, es ist ein tätiges Bestimmen zu einem Zweckbegriffe. Sonach ist der ganze Begriff des Wollens sinnlich, alles Wollen ist Erscheinung, das reine Wollen wird bloß als Erklärungsgrund vorausgesetzt, es ist in unserer Vorstellung und Sprache nicht zu fassen; = absolute Selbstheit, Autonomie, Freiheit, alles ist gleich unbegreiflich. Die Freiheit lässt sich nur negativ beschreiben, durch: nicht bestimmt zu werden - abermals sinnlich.

Kurz, es ist das, was möglich macht, dass ich mich als selbsttätig, als Ich denken kann. Dieses ist das Materiale in allem Bewusstsein. Um das Formale zu erklären, muss man die Reflexion voraussetzen. Dies ist =X, das Absolute, das nur Grund ist, es liegt in demselben absolutes Subjektives und absolutes Objektives.
 

Jede Reflexion ist ein sich-Bestimmen, und dieses schaut das Reflektierende unmittelbar an; aber es schaut dasselbe an durch die Einbildungskraft hindurch, sonach als ein bloßes Vermögen der Selbstbestimmung, und durch dieses abstrakte Denken (als Vermögen) entsteht das Ich für sich selbst // als etwas, als ein rein Geistiges, lediglich Ideales, und wird seiner Tätigkeit des bloßen Denkens und Wollens als einer solchen sich bewusst. 

Nun ist aber diese Reflexion ein sich-Bestimmen, aber der oben beschriebene Akt der Einbildungskraft ist ein Akt des Ich und wird sonach bestimmt. Demnach wird in demselben ungeteilten Akte das reine Denken durch die Einbildungkraft versinnlicht und das durch die Einbildungskraft Versinnlichte durch das reine Denken bestimmt (Wechselwirkung des Anschauens und Denkens). Durch diese Bestimmung entsteht ein geschlossenes Vermögen des Ich als sinnliche Kraft und eine Bestimmtheit desselben (Begriff der Substantialität). Zu der Bestimmtheit dieser sinnlichen Kraft wird ein Objekt hinzugdacht und durch sie im Denken bestimmt (Begriff der Kausalität).

Populäre Wiederholung 

Das sich Bestimmende, sich selbst zu etwas Bestimmten Machende ist das Ich. 'Das Ich findet sich' heißt daher: Es findet dieses sich-selbst-Bestimmen, denn es ist nicht, wie der Dogmatiker sagt, so, dass die Begriffe in mir als etwas fertiges Erstes lägen. Und 'Dies ist der erste Begriff' heißt selbst: Er wird erzeugt aus einem Mannigfaltigen, welches dargelegt ist. Dass dies sich-Machen-zu-einem-Bestimmten gefunden werde, dazu gehört Vergleichung meines Seins (des Bestimmten) und meines Tuns (des Machens zu diesem Bestimmten).

Aber wie weiß ich, dass ich es tue? Dies dadurch, dass ich unmittelbar von meinem Tun weiß, und dass ich selbst das sei, weiß ich [dadurch], dass ich unmittelbar von diesem Sein weiß. Darauf bedarfs keiner weiteren Antwort; also bloß darauf, wie ich wisse, dass aus jenem meinem Tun dieses Sein folge; und die Lösung dieser Aufgabe wäre die Deduktion des Selbstbewusstseins und mit ihm alles anderen Bewusstseins. -

Tun und Sein sind ganz dasselbe, nur von verschiedenen Seiten angesehen. Diese doppelte Ansicht muss sein, wenn ein Ich sein soll, aus ihr geht erst das Ich hervor. Sieht das Ich sein reines Denken durch die Einbildungskraft hindurch, so entsteht ihm ein // Tun. Denkt es das wieder, was durch die Einbildungskraft dargestellt ist, so wird es zum Sein. Das reine Denken und Wollen macht also notwendig das Ich aus. Wie ein Ich gesetzt ist, ist es gesetzt; wie ein Ich gesetzt ist, ist ein Bewusstsein gesetzt wie das beschriebene.

- Das Ich ist kein einfacher Begriff, da es überhaupt keinen einfachen Begriff gibt; es ist zusammengesetzt auf die beschriebene Weise. S. 213//214//215

Da das Ich in dem Anschauen seines reinen Denkens zugleich bestimmt ist, so wird ihm notwendig dieses reine Denken selbst (das heißt, das Ich als Produkt // dieses Denkens als freies Wesen) ein Bestimmtes. Ein freies Wesen als solches kann aber nur bestimmt sein durch die Aufgabe, sich selbst mit Freiheit zu bestimmen. Indem das Ich dieses denkt, geht es von einer Sphäre der Freiheit überhaupt als Bestimmbaren über zu sich als dem in dieser Sphäre Bestimmten, und setzt sich dadurch als Individuum, im Gegensatz mit einer Vernunft und Freiheit außer sich.

Da das Ich im bestimmten Denken zugleich frei ist und nur mit Freiheit das Bestimmte denkt, so trägtes auch die Freiheit auf das Bestimmte über; aber Freiehit in der bloßen Bestimmtheit wie in der Natur ist sein durch sich selbst. Dadurch wird dem NichtIch ein vom Ich unabhägiges Sein zugeschrieben, und es wird dadurch erst ein Ding. In wiefern es dieses Sein hat, ist es das fortdauernde Bestimmbare in allen Bestimmungen, die es durch die Freiheit des Ich erhät.

Das Denken des Ich als [eines] freien, aber beschränkten Wesens und das des NichtIch als [eines] für sich bestehenden Dinges sind gegenseitig durch einander bestimmt. Das Ich schaut an seine Freiheit nur in den Objekten seines Handelns, und es schaut an diese Objekte nur, inwiefern es mit Freiheit auf sie handelt. S. 225//226



Die Beschränkteit des Ich, versinnlicht und als Wahrnehmung, erscheint als Aufforderung zu einem freien Handeln. Diese Wahrnehmung als Beschränkung unserer physischen Kraft - vorausgesetzt, dass wir uns, uns selbst überlassen, [sic] es wird sonach als das Bestimmende zu dieser Beschränkung eine physische Kraft außer uns gesetzt, die durch freien Willen eines durch diesen Willen bestimmten und charakterisierten freien Individuums außer uns regiert werde. Das Bestimmbare davon gibt den Begriff und die Wahrnehmung eines artikulierten Leibes, einer Person außer uns.

Dieser (der Leib) ist Naturprodukt, und also, da er aus Teilen besteht, die nur in ihrer Verbindung dieses bestimmte Ganze ausmachen, hat die Natur in sich selbst das Gesetz, dass ihre Teile sich notwendig zu Ganzen, die wieder ein einziges Ganze[s] ausmachen, vereinen. Die Natur ist organisiert und organisierend und wird, so wie ein vernüntiges Wesen außer mir gesetzt ist, also gesetzt. Der Umfang dessen, was notwendig im Bewusstsein vorkommen muss, ist erschöpft. 

// Bemerkung: Nur als organisiert und organisierend ist die Natur erfahrbar, außerdem* wird man durch das Gesetz der Kausalität immer weiter hinausgetrieben. Dadurch fallen die Kantischen Antinomien der Vernunft ganz weg, da sie bloß Antinomien des freien Räsonnements sind.
*) [=andernfalls]
Auf diese Weise haben die alten Philosophen die Beweise für Gott aus der Welt hervorgebracht, aus Verzweiflung, indem sie doch einmal bei etwas stehenbleiben wollten. -

Man muss die Vernunft als Ganzes auffassen, dann findet kein Widerstreit statt, dann ist die Natur ganz absolut durch sich selbst gesetzt als absolutes Sein, entgegengesetzt nur dem absoluten Ich. Diese Ansicht muss eine Naturwissenschaft nehmen. S. 239//240 

Samstag, 17. Juni 2017

Erste Einleitung.

//S. 3//
ERSTE EINLEITUNG
(vorgetragen in den öffentlichen Vorlesungen)

Er werden darin beantwortet folgende drei Fragen:
I. Was ist Philosophie?
II. Wie wird sie im Systeme der WissenschaftsLehre behandelt?
III. Welche Veränderungen mit dem sonstigen Plane vorgenommen werden sollen und wie sie [sic] in diesen Vorle- sungen behandelt werden soll.


ad I. Es soll keine bloße Definition gegeben werden, keine bloße Formel, bei der man weiter nichts denkt; sondern es soll genetisch gezeigt werden, was Philosophie sei; das heißt, es soll dargetan werden, wie der menschliche Geist zum Philosophieren kommt.

Es wird vorausgesetzt, dass man das Dasein der Dinge außer sich annehme; bei dieser Annahme beruft man sich auf einen inneren Zustand. Man geht bei dieser Überzeugung in sich zurück in das Innere, man ist sich bewusst eines Zustandes, aus welchem man auf das Dasein von Dingen außer sich schließt. Nun ist man aber, inwiefern man sich bewusst ist, ein vorstellendes Wesen, man kann also nur sagen, man sei sich der Vorstel- lung von Dingen außer uns bewusst, und weiter wird eigentlich auch nichts behauptet, wenn man sagt, es gäbe Gegenstände außer uns.

Kein Mensch kann unmittelbar behaupten, dass er Sinne habe, sondern nur, dass er notgedrungen sei, so etwas anzunehmen. Das Bewusstsein geht nur auf das, was in ihm vorkommt, aber dies sind Vorstellungen. -

Damit begnügen wir uns aber nicht, sondern machen schnell einen Unterschied zwischen Vorstellungen und dem Objekt, und sagen, außer der Vorstellung liege noch etwas Wirkliches. Sobald wir auf den Unterschied der Vorstel- lung und des Objekts aufmerksam werden, sagen wir, es sei beides da. Alle vernünftigen Wesen (auch der Idealist und Egoist, wenn er nicht auf dem Katheder steht) behaupten immerfort, dasss eine wirkliche Welt da sei. 

Wer sich zum Nach-//4//denken über diese Erscheinung in der menschlichen Seele erhoben hat, muss sich verwun- dern, da hier eine scheinbare Inkonsequenz ist. Man werfe sich als die Frage auf: Wie kommen wir dazu anzuneh- men, dass noch außer unsrer Vorstellung wirkliche Dinge da seien? Viele Menschen werfen sich diese Frage nicht auf, entweder weil sie den Unterschied nicht bemerken, oder weil sie zu gedankenlos sind. Wer aber diese Frage aufwirft, der erhebt sich zum Philosophieren; diese Frage zu beantworten ist der Zweck des Philosophierens, und die Wissenschaft, die sie beantwortet, ist die Philosophie.
Nota.
Die Wissenschaftslehre hebt nicht an bei der Frage, ob es eine Wirklichkeit gäbe außer der Vorstellung, sondern warum jeder vernünftige Mensch davon ausgeht, dass es so sei. Die erste Frage wäre metaphysisch, die zweite ist transzendental. Und nur die zweite ist daher vernünftig. Dass es so sei ist also die Voraussetzung, aus der die Transzendentalphilosophie nicht heraustreten kann, ohne die Vernunft zu verlassen. Auf der ersten semantischen Ebene ist auch sie realistisch. Idealistisch ist sie erst auf der zweiten Ebene, der Reflexion der Vernunft auf sich selbst
JE

Ob es wirklich eine solche Wissenschaft gibt, bleibe vor der Hand noch unentschieden; dass aber viele Bemühungen angewandt worden sind, diese Frage zu beantworten, ist bekannt, denn von je her war sie die Aufgabe der Philosophie. Nur sind die Philosophen bei ihrer Beantwortung meist einseitig zu Werke gegangen, daher denn auch die Antwort einseitig ausfallen musste. Man glaubt z. B., man hätte nur zu fragen, ob Gottheit, Unsterblichkeit, Freiheit sei; das heißt, ob den Vorstellungen davon etwas Wirkliches außer ihnen entspreche. Aber die Frage der Philosophie ist nicht, haben diese einzelnen Vorstellungen, sondern haben unsere Vorstellungen überhaupt Realität?

Objektive Gültigkeit ist das, wo man behauptet, dass außer der Vorstellung noch etwas sei. Die Objektivität der Gottheit untersuchen heißt prüfen, ob Gott ein bloßer Gedanke sei, oder ob diesem Gedanken noch etwas außer ihm entspreche. Die Frage nach der Objektivität der Welt ist ebenso interessant als die nach der Objektivität der Gottheit und der Unsterblichkeit, und wenn man die erste Frage nicht beantwortet, kann man die beiden letzten auch nicht beantworten.

Eine Philosophie ist also wenigstens denkbar. Nämlich es ist denkbar, dass man nach der Objektivität unserer Vorstellungen frage, und es ist würdig, dass das Vernunftwesen über ihre Beantwortung nachdenke. Die Idee der Philosophie ist also erwiesen, die Wirklichkeit derselben kann aber nicht anders erwiesen werden als dadurch, dass ein System derselben wirklich aufgestellt werde.

So wie der menschliche Geist diese Frage aufwerfen kann, so kann er auch viele andere aufwerfen und sie beantworten //5// oder zu beantworten suchen. Geschieht diese Beantwortung nach bestimmten Gesetzen, so wird räsoniert und es entsteht Wissenschaft, aber nicht darum Philosophie, welche bloß in Beantwortung obiger Frage besteht.

ad II. Man philosophierte schon frühe, aber nur dunkel; es lag noch kein deutlicher Begriff zu Grunde. Die Skeptiker warfen vorzüglich die Frage auf, ob wohl unsere Vorstellungen objektive Gültigkeit hätten. Durch Hume, einen der größten Skeptiker, wurde Kant geweckt. Letzterer aber stellte kein System auf, sondern schrieb nur Kritiken, d. h. vorläufige Untersuchungen über die Philosophie. Wenn man aber das, was Kant besonders in der Kritik der reinen Vernunft sagt, in ein System fasst, so sieht man, dass er die Frage der Philosophie sich richtig gedacht hat. Er drückt sie so aus: Wie sind synthetische Urteile a priori möglich, und beantwortet sie so: Es gibt eine gewisse Notwendigkeit, gewisse Gesetze, nach denen sie Vernunft handelt in der Hervorbringung der Vorstellungen; was durch diese Notwendigkeit, durch diese Gesetze zu Stande gebracht wird, hat objektive Gültigkeit. Also von Dingen an sich, von einer Existenz ohne Beziehung auf ein Vorstellendes ist bei Kant nicht die Rede. Es war ein großer Missverstand, dass man das, was Kant in seinen Kritiken vortrug, für System hielt. Gegen die, die dies glauben, lässt sich folgendes einwenden:

1) Das gesamte Handeln des menschlichen Geistes und die Gesetze dieses Handelns sind bei Kant nicht systematisch aufgestellt, sondern bloß aus der Erfahrung aufgegriffen. Man kann daher nicht sicher sein

A) dass diese Gesetze des notwendigen Handelns des menschlichen Geistes erschöpft sind, weil er sie nicht bewiesen hat;
B) wie weit ihre Gültigkeit sich erstrecke;
C) Die merkwürdigen Äußerungen des menschlichen Geistes: Denken, Wollen, Lust oder Unlustempfinden sind nach Kant nicht aufs erste zurückgeführt, sondern sind koordiniert.

2) Das, worauf es hauptsächlich ankommt, nämlich zu beweisen, dass und wie unsern Vorstellungen objektive Gültigkeit zukomme, ist nicht geschehen. Die Kantische Phi-//6//losophie ist nur durch Induktion, nicht aber durch Deduktion bewiesen. Sie sagt: Wenn man diesen oder jene Gesetze annehme, wäre das Bewusstsein zu erklären; sie gilt daher nur als Hypothese.
Nota.
- Kants Induktion führt ihn nur bis zu den Kategorien. Er hat sie im Material 'aufgefunden' und stellt sie zusammen; nebeneinander. Aber schon, weshalb es genau diese zwölf sein müssen, wird nicht demonstriert und nicht deduziert. Schon gar nicht wird deduziert, woher sie stammen. Es sind vier mal drei, das sieht gut aus, aber mehr Evidenz haben Kants Kategorien nicht für sich.
JE

In wiefern kann man es nun bei so einer Philosophie bewenden lassen und in wie fern nicht, und warum muss weiter gegangen werden? Wer sich unbefangen seiner Vernunft hingibt, der bedarf keiner Philosophie. Wäre es daher nicht besser, wenn man der Philosophie ganz entbehrte, und nicht vielmehr einem, der sich seiner Vernunft nicht unbefangen mehr hingibt, zu raten, dass er sich an den Glauben an die Wahrheit seines Bewusstseins halten möge?

Wenn der Mensch unbefangen seinem Bewusstsein glaubt, so tut er gut, aber die Bestimmung des Menschen ist es nicht, sie geht unaufhörlich fort auf gegründete Erkenntnis, der Mensch wird unaufhörlich getrieben, nach gründlicher Überzeugung zu forschen, und derjenige, der sich einmal zu philosophischem Zweifel verstiegen hat, lässt sich nicht mehr zurückweisen, er sucht sich immer seine Zweifel zu lösen. Es entsteht in dem Menschen ein peinlicher Zustand, der seine innere Ruhe und sein äußeres Handeln stört und sonach praktisch schädlich ist.

Der Idealist, der die Körperwelt leugnet, stützt sich doch unaufhörlich auf diese ebenso, wie der, der ihre Wirklichkeit glaubt. Dieser Zweifel des Idealisten hat nicht unmittelbare Folgen auf das Leben, allein es ist doch unanständig, dass seine Theorie mit seiner Praxis in Widerspruch stehe. Auch an dem Glauben an Gott und die Unsterblichkeit kann man durch Skeptizismus irre gemacht werden, und dies hat Folgen auf die innere Ruhe und Lage. Man kann zwar durch eine unvollständige und seichte Philosophie auf einige Zeit beruhigt werden. Findet man aber diese einst als unzureichend, so entsteht ein Zweifel an der Möglichkeit des Philosophierens selbst, und dies versetzt den Menschen in noch größere Unruhe.
Nota.
- F. nimmt hier die Einwände vorweg, die Jacobi kurz darauf gegen die Transzendentalphilosophie selbst erheben wird; sie säe nicht nur Zweifel, sondern pflanze vielmehr eine nihilistische Überzeugung (die zwar wissenschaftlich erwiesen sei, aber zum Glauben an Gott unfähig mache). Dann wird F. vor ihnen einknicken; hier ist er noch nicht dazu bereit
JE

Der praktische Zweck nun ist, diese Zweifel zu lösen; den Menschen in Übereinstimmung mit sich selbst zu bringen, dass er aus Überzeugung und aus Gründen seinem Bewusstsein glaubt, wie er es vorher aus Vernunftinstinkt tat. (Der ganze //7// Zweck der Bildung des Menschen ist, ihn durch Arbeit zu dem zu machen, was er vorher ohne Arbeit war.) Dieser Zweck ist in der Kantischen Philosophie völlig erreicht, sie ist bewiesen, und jeder, der sie versteht, muss sie für wahr halten. 

Aber der Mensch ist auch nicht bestimmt, sich damit begnügen zu lassen. Er ist bestimmt zu vollständiger und systematischer Kenntnis. Es ist nicht genug, dass unsere Zweifel glöst und dass wir zur Ruhe verwiesen sind, wir wollen auch Wissenschaft. Es ist ein Bedürfnis der Menschen nach Wissenschaft, und die Wissenschaftslehre macht sich anheischig, dies Bedürfnis zu befriedigen. 

Also die Resultate der Wissenschaftslehre sind mit denen der Kantischen Philososphie dieselben, nur die Art, sie zu begründen, ist in jener eine ganz andere. Die Gesetze des menschlichen Denkens sind bei Kant nicht streng wissenschaftlich abgeleitet, dies soll aber in der Wissenschaftslehre geschehen. In dieser werden abgeleitet die Gesetze des endlichen Vernunftwesens überhaupt; im Kantischen System werden bloß aufgestellt die Gesetze des Menschen, weil es bloß auf Erfahrung beruht, diese werden in der Wissenschaftslehre bewiesen. 

Ich beweise jemandem etwas heißt, ich bringe ihn dazu, dass er annehme, dass er irgendeinen Satz schon zugegeben habe, indem er die Wahrheit irgendeines anderen vorher zugegeben hatte. Jeder Beweis setzt also bei dem, dem er bewiesen werden soll, schon etwas Bewiesenes voraus, und zwei, die über nichts einig sind, können einander auch nichts beweisen. 

Da nun die Wissenschaschaftslehre beweisen will die Gesetze, nach denen das endliche Vernunftwesen bei Hervorbringung seiner Erkenntnis verfährt: so muss sie dies an etwss knüpfen, und da sie unser [Wissen?] begründen will, an etwas, das jedermann zugibt. Gibt es so etwas nicht, so ist systematische Philosophie unmöglich. 
Nota I.
  - Das ist das Verfahren der Wissenschaftslehre: Statt freihändig Begriffe zu definieren und daraus ein System zu bauen, sucht sie in den wirkliche Vorstellungen der 'endlichen' Vernunftwesen die ihnen zu Grunde liegenden anschaulichen Voraussetzungen auf, und erst, wenn sie an den Punkt gerät, hinter den es nicht hinausgeht, kehrt sie ihren Gang um und setzt, was sie zuvor analytisch auseinandergelgt hatte, synthetisch wieder zusammen; daran, ob auf diesem Weg die wirkliche Vorstellungswelt der 'endlichen Vernunftwesen' hinreichend rekonstuiert werden kann, entscheidet sich ihre Richtigkeit. 
Nota II.
- 'Der Mensch ist bestimmt zu vollständiger und systematischer Kenntnis': woher weiß er das? Nach seiner Lehre ist der Mensch, sofern er Vernunftwesen ist, nur bestimmt als das, wozu er sich selbst bestimmt. Wenn er sagt 'So ist es', kann es sich entweder um die Feststellung eines empirisch Vorgefundenen handeln, oder um ein Postulat: 'So soll es sein.' - Tatsächlich handelt es sich hier um beides; es ist die historisch vorgefundene Tatsache des autonomen bürgerlichen Subjekts; und der Entschluss des theoretischen Philosophen, dies empirisch Gegebene als seinen praktischen Zweck anzusehen. Die Wissenschaftslehre ist die Anthropologie des bürgerlichen Zeitalters.
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Die WissenschaftsLehre fordert jeden auf, zu überlegen, was er tut, wenn er sagt: Ich. Von diesem behauptet die WissenschaftsLehre, dass er dadurch annehme ein Setzen seiner selbst, das er sich setze als Subjekt-Objekt. Man kann Ich nicht denken ohne dies. Dadurch nun, durch die Identität des Setzenden und Gesetzten, ist der Begriff der Ichheit, wie ihn die Wissen-//8//schaftsLehre postuliert, völlig erschöpft. Es wird hier nicht mit hineingezogen, was man sonst beim Setzen seiner selbst denken möchte.

Wer dies nicht zugäbe, mit dem könnte die WissenschaftsLehre nichts anfangen; dies ist das erste, was die Wissenschaftslehre jedem anmutet. Weiter mutet sie an, auch einmal in sein Bewusstsein hineinzugehen, und behauptet, dass man finden werde: dass man sich nicht nur selbst setze, sondern dass man sich auch noch etwas entgegensetze. Dieses Entgegengesetzte wird, weil von ihm nichts weiter behauptet wird, als dass es dem Ich entgegengesetzt ist, auch NichIch genannt. Man kann es noch nicht Objekt oder Welt nennen, da erst bewiesen werden muss, wie es zum Objekte und zur Welt werden; sonst wäre die Philosophie Popularphilosophie.

Aus diesem Vorausgesetzten wird alles Übrige abgeleitet. Die Wissenschaftslehre behauptet, dass alles, was daraus folge, für alle endlichen Vernunftwesen gültig sei.
Nota.
 - Wir sind hier noch nicht in der Wissenschaftslehre selbst. F. referiert vorab über die WL. Er kündigt an, was er in den folgenden Vorlesungen zu tun gedächte. 
Wie alles Wissen, hat auch die Wissenschaftslehre ihre Voraussetzung. Diese ist Postulat. Doch nicht so, dass sie als theoretischer Satz (einstweilen) geglaubt werden müsste; sondern als ein Akt, den jeder selbst zu vollziehen habe. Postuliert wird nur, dass er es tue. Wenn er es tue, dann werde er finden, dass... usw.
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Nun stellt die WissenschaftsLehre die Bedingungen auf, unter welchen das Ich sich selbst setzt und sich ein NichtIch entgegensetzt, und darin liegt der Beweis ihrer Richtigkeit. Diese Bedingungen sind ursprüngliche Handelsweisen des menschlichen Geistes. Was dazu gehört, dass das Ich sich selbst setzen und sich ein NichtIch entgegensetzen könne, ist notwendig. Diese Bedingungen beweist die WisenschaftsLehre durch Deduktion.

Der Beweis durch Deduktion geht so: Wir können es als Wesen des menschlichen Geistes annehmen, dass das Ich sich setze und sich ein NichtIch entgegensetze; nehmen wir aber dies an, so müssen wir noch manches andere annehmen. Dies heißt deduzieren, von etwas anderm ableiten. Kant sagt: Ich verfahret nur immer nach den Kategorien; die Wissenschaftslehre aber sagt: So gewiss ihr euch als Ich setzt, müsst ihr so verfahren. In den Resultaten sind beide einig, nur knüpft die WissenschaftsLehre noch an etwas Höheres an.

1) Die WissenschaftsLehre sucht sonach den Grund von allem Denken, das für uns da ist, in dem inneren Verfahren des endlichen Vernunftwesens überhaupt. Sie wird sich kurz so ausdrücken: Das Wesen der Vernunft besteht darin, dass ich mich selbst setze, aber das kann ich nicht, ohne mir eine //9// Welt, und zwar eine bestimmte Welt entgegenzusetzen, die im Raume ist und deren Erscheinungen in der Zeit aufeinander folgen. Dies alles geschieht in einem ungeteilten Moment; da Eins geschieht, geschieht zugleich alles Übrige. 

Aber die Philosophie und besonders die Wissenschaftslehre will diesen Einen Akt genau kennen lernen. Nun aber lernt man nichts genau kennen, wenn man es nicht zerlegt und zergliedert. So macht es also auch die Wissenschaftslehre mit dieser Einen Handlung des Ich, und wir bekommen eine Reihe miteinander verbundener Handlungen des Ich - darum, weil wir die Eine Handlung nicht auf einmal fassen können; weil der Philosoph ein Wesen ist, das in der Zeit denken muss. 
Nota.
Die Deduktionen der Wissenschaftslehre sind eher Re duktionen: Es wird nicht aus Obersätzen abgeleitet, sondern es werden Bedingungen aufgesucht und freigelegt. Es sind faktische Implikationen: Indemich Dieses tue, tue ich zugleich Jenes und Jenes; täte ich Jenes nicht, so auch nicht Dieses. 'Weil aber der Philosoph ein Wesen ist, das in der Zeit denken muss', stellt er sich diese Eine Handlung als ein Nacheinander von mehreren Handlungen vor. - Wenn dann später im transzendentalen Schema wie in einem Begriff die Zeit wieder ausgeschieden wird, wird lediglich der "ursprüngliche Zustand" wiederhergestellt.
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Dadurch nun wird das Bedürfnis nach Wissenschaft befriedigt; wir haben nicht bloß eine diskursive, aus der Erfahrung aufgeraffte, sondern eine systematische Erkenntnis, in der sich alles von einem Punkte ableiten lässt und mit diesem zusammenhängt. Der menschliche Geist strebt nach Erkenntnis, und darum soll er diesem Streben nachfolgen: Wer sagt, dass die Erlangung derselben unmötlich sei, sagt bloß, dass sie ihm eben unmöglich sei. - Diese Methode hat nun Vorzüge in Absicht der Deutlichkeit; denn das ist allemal deutlicher, was in sich zusammenhängt, wo man aus einem alles leicht übersehen kann, als wenn man mehreres zerstreut auffassen muss.
Nota.
Das ist nicht gerade zwingend. Dass 'es' ein Bedürfnis 'gibt', ist einstweilen nur eine Behauptung und würde, wenn sie zuträfe, nur ein Faktum bezeichnen; 'dass man ihm folgen soll' ist damit keinewegs 'bewiesen'. Und dass die Methode den Vorzug der Deutlichkeit hat, beweist nicht selbst, dass sie notwendig oder richtig ist. Würde es die Sache erforderlich machen, müsste man sich zu einer undeutlichen Darstellung bescheiden. - Es ist aber erst eine Einleitung, und zwar die erste, noch redet er über die WL. Sie selbst sollte strenger verfahren. 
Nota II.
- F. gebraucht den Ausdruck 'diskursiv' im Sinne einer Erfahrungswissenschaft, die Einzelerkenntnisse lediglich aneinander reiht. Heute verstehen wir darunter in Gegenteil ein Verfahren, das Eines auf zwingende Weise aus dem Vorangegangenen herleitet.
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Kant hat die Frage: Wie kommen wir dazu, gewissen Vorstellungen objektive Gültigkeit beizumessen, nicht be- antwortet. Die Wissenschaftslehre leistet dies. Wir schreiben einer Vorstellung objektive Gültigkeit zu, wenn wir behaupten, dass unabhängig von der Vorstellung noch ein Ding da sei, das der Vorstellung entspreche. Beide sind so verschieden: Die Vorstellung habe ich hervorgebracht, das Ding aber nicht. Nun behauptet die Wissenschaftslehre: Mit Vorstellungen, welche notwendig in uns sein sollen, verhält es sich so, dass wir annehmen müssen, dass ihnen etwas Äußeres entspreche; und dies zeigt sie genetisch. 

Es gibt zwei Haupthandlungen des Ich; die eine, wodurch es sich selbst setzt und alles, was dazu erforderlich ist, also die ganze Welt. Die zweite ist ein abermaliges Setzen desjenigen, was durch jene erste Handlung schon gesetzt ist. Es gibt also ein //10// ursprüngliches Setzen des Ich und der Welt und ein Setzen des schon Gesetzten, das erste macht das Bewusstsein erst möglich und kann daher darin nicht vorkommen; das zweite aber ist das Bewusstsein selbst. Das zweite setzt sonach das erste voraus. Im zweiten wird sonach etwas gefunden, das ohne das Ich vorhanden, worauf das Ich reflektiert. Das erste, dessen Resultat das Ding ist; dadurch zeigt sich, was eigentlich Produkt des Ich ist. 

Es wäre sonach zu unterscheiden eine ursprüngliche Thesis oder, da in ihr ein Mannigfaltiges gesetzt wird, eine ursprüngliche Synthesis, von der Analysis, wenn nämlich wieder auf das reflektiert wird, was in der ursprünglichen Synthesis liegt. Die gesamte Erfahrung ist nun bloße Analysis dieser ursprünglichen Synthesis. Das ursprüng- liche Setzen kann nicht im wirklichen Bewusstsein vorkommen, weil es erst die Bedingung der Möglichkeit alles Bewusstseins ist.


Dies ist der kurze Inbegriff, das Wesen und der Charakter der Wissenschaftslehre.

Nota.
Später wurde die Dialektik zu einem mystischen Ding, einem Arkanum, in dem sich alles unterbringen ließ, was man nicht erklären konnte oder wohlweislich nicht erklären wollte. In ihrem Ursprung bei Fichte ist sie eine völlig rationelle Sache: Wo immer das Denken reflektiert - und das tut es immer, wenn es nach Gründen fragt -, beschäftigt es sich letzten Endes mit sich selbst; und kommt daher zweimal vor: Einmal als reale, das andre Mal als ideale Tätigkeit. Und jeder Fortschritt im Denken reproduziert diese Verdoppelung immer neu.
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ad III. 1.) Die Untersuchungen der Wissenschaftslehre sollen [in diesen Vorlesungen] auf Neue angestellt werden, als wenn sie noch nie aufgestellt wären. Die Bearbeitung wird dadurch gewinnen, denn seit der ersten Bearbeitung sind die Prinzipien weiter fortgeführt worden, und dies gibt eine klarere Einsicht derselben. Auch fand Dozent dadurch, dass er mit den verschiedenartigsten Köpfen darüber sprach, woran es bei manchem lag, dass die Sätze noch nicht einleuchteten. Doch wird auch auf die erste Darstellung Rücksicht genommen werden.

2) Die erste Darstellung ist dadurch etwas beschwerlich worden, weil die Bedingung der Möglichkeit der Sätze nicht in der natürlichen Ordnung, sondern in einem theoretischen und praktischen Teil abgehandelt wurden; dadurch sind nun Dinge, die unmittelbar in einander eingreifen, zu weit von einander gerissen, welches nun nicht mehr geschehen soll.

Dann sollen noch ausdrücklich und gründlich abgehandelt werden die Reflexionsgesetze in Vereinigung und Verbindung mit dem, was daraus entsteht. (Dieses Versprechen konnte wegen Mangel an Zeit nicht erfüllt werden.) Reflektieren heißt seine ideale Tätigkeit auf etwas richten; dies geschieht nur //11// nach gewissen Gesetzen, und dadurch wird das Objekt der Reflexion so und nicht anders.

Dozent leitet in seinen Vorlesungen ein bestimmtes Denken, und wer nicht mitdenkt, der erhält nichts; nur der, der mitdenkt, kann Nutzen haben. Für die, die nicht selbst mitdenken, möchte er seinen Vortrag in Arabisch machen.
Nota. 
- Die Grundlage der gesamtem Wissenschaftslehre war entstanden als Begleittext zu Fichtes erstem Vortrag der WL in Jena 1793-94, der bogenweise nach und nach an die Hörer ausgegeben wurde. Das merkt man ihr immer noch an, dass sie noch im Verlauf der Vorlesungen ausgearbeitet wurde. Namentlich die konventionelle Unterteilung in erstens einen theoretischen und zweitens einen praktischen Teil ist verwirrend. Den theoretischen Teil vielmehr aus dem Praktischen hervorgehen zu lassen, war die Hauptaufgabe der WL nova methodo.
Die obige Bemerkung "Dieses Versprechen konnte wegen Mangel an Zeit..." verweist darauf, dass Krauses Reinschrift erst nach dem Abschluss der Vorlesungen im März 1799 zu Papier gebracht wurde. Wegen des Atheismusstreits stand F. am Ende des Vortrags unter Zeitdruck.
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