Mittwoch, 31. Mai 2017

§ 17.

//178// 
§ 17

Unsere Aufgabe ist längst die: die Bedingungen des Bewusstseins nach den schon bekannten Regeln zusammen zu setzen und das Bewusstsein vor unseren Augen gleichsam zu konstruieren, nur nicht wie der Geometer tut, der sich um die Frage, woher die Fähigkeit, Linien zu ziehen und Raum, herkomme, nicht bekümmert, dieser setzt schon Wissenschaftslehre voraus. 

Denn die Wissenschaftslehre muss das, womit sie //179// verfährt, sich selbst erkämpfen, und in dieser Rücksicht hat das System bestimmt zwei Teile. Bis dahin, wo gezeigt wurde, reiner Wille ist das wahre Objekt des Bewusstseins, wurde ausgemittelt, womit verfahren werden sollte. Von da ging der andere Teil an. Wir konstruieren nun wirklich - wir haben nun Feld und Boden gewonnen und nun ein Verfahren zu schildern und anzuwenden. Wir setzen so zusammen: 

Anfangs hatten wir bloße Erkenntnis als Anfangspunkt des Bewusstseins, dann setzten wir hinzu, dass diese nicht ohne ein Wollen möglich sei, i. e. nicht ohne etwas, das [von] dem Vernunftwesen als Wollen gesetzt wird, das nur Erscheinung sei. So ist demnach an das Erstgeschilderte etwas angeknüpft; wir müssen auch eine immer fortfließende Reihe des Bewusstseins beschreiben. 

Was ist denn nun eigentlich das Objekt, das außer uns angenommen werden soll? Hier ist zuerst die Rede von einen Herausgehen aus uns selbst; hier muss streng deduziert werden; den schon angefallenen Punkt müssen wir da näher bestimmen, was in der beschriebenen Erkenntnis für ein Objekt außer uns enthalten ist?
Nota I.
- 'Zuerst' verfährt die Wissenschaftslehre analytisch, sie sucht: Von dem Bewusstsein, das sie (historisch) vorfindet, geht sie zurück auf dessen als notwendig eingesehenen Voraussetzungen. So gelangt sie zur Annah- me eines reinen Wollens als dem An-sich des Bewusstseins. Von da an verfährt sie synthetisch: Sie konstruiert, sie   re konstruiert – nämlich 'wie aus dem Wollen wirkliche Objekte außer uns entstehen'. Aus dem Kreis des Be- wusstseins tritt sie nirgends heraus. 
Nota II.
- Dies ist die richtige Stelle für eine Zäsur. Der transzendentale Sprung des 'reinen' Ich rückwärts vom vernünftigen Individuum zum Glied einer vernünftigen Reihe ist die entscheidende Klippe, die zu meistern war. Es ist auch die richtige Stelle, um zu erinnern: Es gilt darzustellen, wie das Bewusstsein des Vernunftwe- sens für sich wird, denn nur so wird es. Was in der Rekonstruktion als Voraussetzung erscheint, war in der Analy- se Resultat. Es findet eine ständige Verkehrung der Perspektive statt.
JE 
1) 

Ich fand in dieser Erkenntnis unter anderem mich selbst als bestimmbar durch Freiheit. Diese Bestimmbarkeit meiner selbst oder Aufforderung zum freien Handeln ist genommen für ganz einerlei. Meine Individualität geht heraus aus der Masse der ganzen Vrnunft; daraus geht wieder hervor eine Tätigkeit in einem Momente, diese Individualität erscheint als Aufforderung zum freien Handeln, die Individualität wird mir gegeben durch diese Aufforderung.

Individualität = [gleich] der Aufforderung zum freien Handeln.

Ist dies wahr? Was heißt Aufforderung zur Freiheit? Es ist ein Begriff, der, wenn er Kausalität hätte, eine Handlung des freien Wollens hervorbrächte. Es wird ins Verhältnis gesetzt Begriff und Handlung des freien Wesens, in das Verhältnis der Dependenz, so dass Ersterer die Handlung veranlassen soll; dies ist aber möglich, daher haben wir es hypothetisch gestellt.

Sieht man darauf, dass es ein anderes Individuum sei, so ist dies //180// ein Begriff jenes Individuums, gehend auf das Aufgeforderte; es ist ein Begriff, in welchem dieses Letztere mit liegt. Dieser Begriff soll nicht Kausalität haben, denn sonst wäre es mechanische Bestimmung; aber hypothetisch wird es gedacht.

(Dergleichen Begriffe, in denen eine Kategorie angewendet wird und auch nicht, werden wir mehrere bekommen. Die Kategorie wird bloß angewendet, um die Sache denken zu können. So hier: Die Regel, mit einem Gesetzten etwas Entgegengesetztes zu denken, ist kausal, aber das hier Entgegengesetzte ist frei, und in sofern findet der Begriff der Kausalität nicht statt; aber könnte er stattfinden, so würde es so oder so sein. Die Regel eines solchen Denkens wird bloß angegeben.) 

Die Aufforderung würde der Realgrund einer freien Entschließung sein, sie würde zwischen dem Bestimmbaren und dem Bestimmten das zwischeninnenliegende Bestimmende sein; letztere [?] heißt bloße Möglichkeit eines Bestimmens, nicht der Grund, dass sie erfolge oder nicht. Sie ist bloß die allgemeinen  Sphäre, aus der die Bestimmtheit hervorgehen kann - in der Aufforderung soll nicht der entscheidende Grund, sondern bloß der Erklärungsgrund sein. - 

In der Aufforderung wird etwas gesetzt, was in der bloßen Bestimmbarkeit nicht gesetzt wird; sonach bestätigt es sich nicht, dass die Aufforderung und die Bestimmbarkeit eins sei. Aber wir setzen hinzu: Diese Bestimmbarkeit solle nur als Bestimmbarkeit gesetzt werden und als nichts anderes. Und nur unter dieser Bedingung sei es möglich, dass im Bewusstsein weiter gar nichts vorkomme als dieses; dass dadurch das ganze Bewusstsein gefüllt sei. Dass nur unter dieser Bedingung die Bestimmbarkeit mit der Aufforderung eins sei, ergibt sich.
Nota.
- Das ist ein Eiertanz. Er wird nur notwendig, weil er versucht, eine lebendige Vorstellung in tote Begriffe zu fassen. Was eine Aufforderung ist im Unterschied zu einem Vorschlag, einer Einladung, einem Angebot, einer Wahlmöglichkeit usw., weiß jeder.* Es definitorisch in einen Begriff zu packen wird schwierig, wenn nicht schon das offenbar vorausgesetzte spezifische Verhältnis von Aufforderndem und Aufgefordertem mitgedacht wird, aber das ist nicht logischer, sondern faktischer Natur:
Der Aufgeforderte hat sich eben als Glied der Reihe entdeckt, aus der die Aufforderung an ihn ergeht. Die Reihe ist ihm vorgegeben (posita); so die Aufforderung. Er kann sie nicht einfach nicht-befolgen, sondern müsste (und könnte) sie aus Freiheit aktiv verneinen; aber dafür bräuchte er einen Begriff = Zweck. Woher dieser? 
Fichte hat selber gar nicht so deutlich erkannt, dass er, da er doch die Dynamik des Vorstellens beschreiben will, das nicht mit der Mechanik der Begriffe tun kann. Er beklagt an mancher Stelle, dass "die Sprache fehlt", aber doch versucht er immer wieder, aus Definitionen zu konstruieren, was eigentlich nur im Bild angeschaut werden kann. (Die Begriffe kommen als Werkzeug der Kritik schon auch noch zu ihrem Recht.) *) Aber schon, es in eine andere Sprache zu übersetzen, ist gar nicht leicht.
JE
//181//                                                                      2

Denn so gewiss dieses X Bestimmbarkeit oder Aufforderung nur begriffen wird, so gewiss wird frei gehandelt; selbst durchs Widerstehen äußert sich die Freiheit. Ich finde mich hier notwendig als etwas Bestimmbares, zum Handeln zu Bringendes (Bestimmbarkeit qua forma). - Bestimmbarkeit ist nicht zu denken ohne Bestimmtheit, beide voneinander getrennt sagen nichts. 

Dies ist verständlich, aber nicht einleuchtend; jetzt wollen wir es deutlicher auseinandersetzen.

Ich begreife die Aufforderung, was heißt das, was liegt in der Aufforderung? - Folgendes: Ich fasse den Begriff, habe die Erkenntnis, dass in einem Begriffe eines anderen Vernunftwesens gerechnet ist auf mein Handeln, und dass, wenn dieser Begriff Kausalität hätte, ein bestimmtes Handeln durch mich erfolgen würde. Der andere hat einen Begriff, der mein Handeln beabsichtigt, aber doch kann er mich nicht als Sache gebrauchen.

Es enthält dieser Begriff:
A) Ich selbst werde darinne gedacht;
B) ein Akzidens von mir, mein freies Handeln. 

Sonach finde ich durch den bloßen Begriff dieser Aufforderung sowohl mich selbst als mein freies Handeln; letzteres als ein bloß Mögliches und Gedachtes. Ich finde mich durch den andern gedacht als handelnd. Deswegen handle ich noch nicht wirklich.

Du fragst mich heißt: Du willst von mir eine Antwort; ich verstehe diese Frage heißt: Ich weiß, was für eine Handlung das ist, die du willst, dass ich sie vollziehen soll. Hierdurch bin ich noch nícht zu Ende, denn hier erscheine ich mir immer noch als ein Bestimmbares, noch nicht als ein Bestimmtes. Dies hat keinen Sinn. So gewiss also noch etwas gedacht wird, wird dies das Bestimmte zu dem Bestimmbaren. Aber warum soll etwas dazugedacht werden, warum soll das Bewusstsein nicht geschlossen sein?

Es soll gezeigt werden, warum an ein Bewusstsein ein anderes angeknüpft werde, und wie eine laufende Reihe entstehe. Dies haben wir ganz bestimmt und scharf hier.
 Nota.
 - Worauf soll das hinaus? Wenn die geforderte Handlung aus Freiheit verweigert wurde, dann wurde die Aufforderung ipso facto... befolgt? - 'Dies wäre verständlich, aber nicht einleuchtend.' Denn wenn auch die Verweigerung eine Handlung aus Freiheit war, dann wurde doch nicht etwas getan, sondern etwas - was immer es sei - wurde nicht getan. Mit dem Bestimmen wären wir keinen Schritt weiter.
JE
//182//
3. 

So gewiss ich die Aufforderung begreife, finde ich mich als Subjekt mit dem Prädikate der zu findenden Freiheit. Was heißt das, ich finde mich? (Durch bloße Analyse muss die Notwendigkeit des Anknüpfens gezeigt werden.) Was müsste ich denn erkennen, um das sagen zu können? Ichheit besteht in der absoluten Identität des Idealen und Realen, sie ist eine Intelligenz außer dem entstehenden Bewusssein nur für den Philosophen; aber wie wird sie für das Ich, das wir konstruieren? Wie komen wir dazu, den absolut unmittelbaren, den ersten Punkt desselben aufzuzeigen?

Jetzt ist die Rede vom Formalen. - Ich finde mich, heißt: Das Ideale und das Reale wird gefunden als identisch; oder: Es erscheint mir im Denken ein Sein durchs Denken; durchs Denken erscheint ein Sein, heißt: Ich denke und es wird. Dadurch wird also der Wille ausgedrückt, der denn doch ein bloßes Denken ist, und in dem sich durch diese Synthesis des Denkens mit dem Sein das Denken in eine Erscheinung des Wollens verwandelt. Aus diesem hervorgebrachten Sein erfolgt ein anderes Denken; ich nehme das Sein unmittelbar wahr; z. B. meine Hand bewegt sich, heißt: Ich denke meine Hand als bewegt und sie bewegt sich. - 

Ich will meine Hand bewegen, heißt: Ich denke meine Hand als durch unmittelbare Wehnehmung und Willkür bewegbar. Den Unterschied dieser zwei Denkungsarten aufzuzeigen ist hier unser Zweck. Worterklärungen des Willens sind bekannt genug, z. B. das Wollen ist Denken eines Zweckbegriffs; das erste ist ideales, das letzteres reales Denken. Das Denken des Zwecks ist Übergang der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit; das Denken der Bestimmbarkeit ist ein Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmoenten.

Im Denken des Zwecks gehet man eben zum Denken des Bestimmten aus diesem Bestimmbaren über. Es ist also das Deniken des Zwecks ein freies Denken. Die Bestimmbarkeit ist lediglich für mein Denken, und ihre Form ist unfixiertes Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmomenten; das Wollende ist auch das Denkende, durch welches zu-//183//erst dieses Schweben fixiert und in einem einzigen Punkt kontrahiert wird.
Nota.
- Wirklich ist eigentlich immer nur das Schweben: dasjenige, wo Bewegung ist, wo etwas geschieht; es ist aktuale Tätigkeit. Ein Schweben zwischen Zweien: Die Fixpunkte werden als solche nur gedacht. Denn gedacht - angeschaut und begriffen - werden kann das Wirkliche, das Tätigkeit ist, nur so; nur interpunktiert; nicht als Fluss, sondern in Sprüngen. Hier findet im Denken eine Umkehrung statt: Das Fixe, das nur gedacht wird, kommt dem Denken als das Eigentliche vor, die aktuale Tätigkeit, das "Schweben", als hinzugedachtes Akzi- dens.
Bestimmt und bestimmbar sind Reflexionsmomente. Real ist das Übergehen vom Einen zum Andern: bestimmen.
JE

Es wird zu einem bestimmten Denken übergegangen.Wird auf die Bestimmtheit abgesehen, so ist das Ich gebunden und es ist ein objektives Denken, mit dem ein Gefühl verbunden ist. Wird hingegen auf die Freiheit im Bestimmen gesehen, so erscheint es als ein Wollen. Das Denken eines Zwecks und das eines Objekts sind eigentlich dasselbe, nur sind sie es von verschiedenen Seiten angesehen. 

Wie sind denn diese beiden Ansichten verschieden? 1) In Rücksicht auf dich selbst und deine Freiheit; 2) auf die Bestimmtheit im Denken (die auch von deiner Freiheit herkommt, ohne dass du darauf reflektierst). So ist es für uns, die wir philosophieren, wir sehen die Identität des Seins und Denkens ein. Aber das hilft uns noch nicht. Wir müssen dieselbe Ansicht dem untersuchten Ich unterlegen als eine ihm notwendige. 

Das Ich sieht sich an in dieser doppelten Rücksicht; es verknüpft mit der Vorstelleung, dass die Hand sich bewegen solle, die, dass sie sich bewegt. Aber daraus entsteht nicht die Vorstellung, dass in meinem Wille der Grund liege, dass die Hand sich bewege. Es liegt nicht darinnen die Vorstellung des Kausalverhältnisses zwischen dem Willen und der Wahrnehmung. 

Für uns liegt wohl die Vorstellung drin, da wir wissen, dass beide im Grunde nur ein und dieselbe Vorstellung sind. Aber wir müssen dies auch für das wirkliche Ich beweisen.

(Hier hängt das Manuskript inmittelbar mit p. 234 zusammen; es fehlt nichts.)

Vacat.

Mit dem Denken ist numittelbar Bewusstsein desselben verknüpft. Also das Denken des Zwecks von einer Seite, des Objekts von der andern ist beides ein Denken mit Bewusstsein, welches letztere dasselbe ist und in demselben Momente, denn ein Zweck ist nicht zu denken ohne reales Objekt und umgekehrt; in dem Bewusstsein des Denkens von beiden sind offenbar beide verknüpft, denn sie können nicht dsikret gedacht werden, denn dann wird keines gedacht.

Von diesem vereinigten Denken geht das andere Denken aus, wir wollen es das synthetische Denken nennen. In diesem Denken denkt sich das Ich als sich //184// selbst bestimmend, welches auch nicht getrennt werden kann; es ist Ich für sich selbst. - Es ist hier ein Denken des Objekts und des Zwecks, beides ist verschieden, liegt aber notwendig zusammen in Einem Bewusstsein; dieses letztere heißt das synthetische Denken.

Anmerkung A

Alles Denken als ideale Tätigkeit geht auf ein Objekt des Denkens überhaupt; welches ist denn nun das Objekt dieses synthetischen Denkens? Nichts anderes als ich selbst in meinem Denken, ich denke 1.; ich sehe mir selbst dabei zu 2.; letzteres ist das synthetische Denken. In diesem letzten wird das beide erste [denkende] Denken in einem Moment des Bewusstseins zusammengerafft. 

Dieses Denken ist sonach eine intellektuelle Anschauung und das Gedachte etwas Intelligibles, das durch das Denken selbst ist; es gehört sonach unter das reine Denken, wovon wir sagten, sich etwas denken; dahingegen das Denken, das Objekt dieses Denkens ist, das Ideale und Reale, etwas durch Sinnlichkeit Vermitteltes ist. 

Anmerkung B
 
Das Ich ist nichts aus einem Mannigfaltigen der Vorstellung Zusammengestoppeltes - aber doch von einer Seite ist es wahr. Der Fehler dieser Behauptung liegt lediglich in der Einseitigkeit. Denn das ideale und reale Denken wird im synthetischen Denken vereinigt, also muss es doch ein solches verschiedenes Denken geben (darauf stützt sich jenen Behauptung); aber beides ist einerlei Denken. 

Dieser scheinbare Widerspruch führt uns auf ein wichtiges Resultat: Beides, das verschiedene und vereinigende Denken, sind selbst eins und unzertrennlich, das verschiedene wird durchs synthetische nicht bloß vereinigt, sondern erst getrennt, ohne vereinigt werden zu können. Aber wie soll es getrennt sein? Zweierlei Denken an sich kanns nicht geben! In der Vereinigung wird es getrennt und durch die Trennung vereinigt, beides ist nicht zu trennen.

Es ist in mir ein erstes ursprüngliches Bewusstsein - A, dieses wird infolge der Duplizität des Geistes doppelt //185// angesehen - B + C, aber C wird selbst wieder doppelt angesehen. A wäre die Masse des Denkens, die Synthesis (denn die Wissenschaftslehre stellt immer lautere Massen auf, in jedem Moment ist ein Mannigfaltiges) B soll sein das Denken meines Denkens; C soll sein das, dessen ich mir bewusst bin. Beide sind A; die Teilung kommt bloß von der ursprünglichen Duplizität, der Subjektobjektivität. 

C erscheint selbst doppelt als ideales Denken eines Zwecks, reales Denken eines Objhekts - X + Y. B ist in Beziehung auf C trennend, vereinigend beides - A ist in Beziehung auf B und C auch trennend und vereinigend.  Wir haben also eine ganze Masse von Mannigfaltigem. Deswegen  haben wir dieses Denken synthetisch genannt, das Ich wird zwischen beide hieneingesetzt als vereinigend. Allein dieses Denken muss sie erst ver- schieden darstellen, und also auch analytisch sein. Die Analyse geschieht durch den Denkakt, der hypothetisch notwendig ist, selber aber auf der Freiheit beruht.
Nota.
 - 'Dialektisch' muss das kritische Denken verfahren wegen der "ursprünglichen Duplizität": Ich kann mich als Subjekt nicht setzen, ohne mich zugleich als Objekt zu setzen (oder umgekehrt). Auf alles, was ich 'an sich' tue, muss ich zugleich reflektieren, weil es anders für mich nicht werden kann. - Das ist inzwischen eine Trivialität, aber die Wissenschaftslehre ist in gewisser Weise nichts anderes als eine endlose Variation zu diesem Thema: Wer synthetisieren will, muss zuvor analysieren. Die verwirrende Schwierigkeit der WL entsteht aus dem unablässigen Wechsel zwischen beiden Perspektiven. (Manchmal verheddert sich F. anscheinend selber und stellt die Sache umständlicher dar als nötig.)
JE

Wie verhält sich nun das entgegengesetzte Denken? Als Bestimmbares und Bestimmtes, aber dies gibt sukzessive Zeitreihe, also durch dieses Denken der Analysis in einem Momente entsteht erst die Zeit; wir sehen also genetisch mit an, wie die Zeit entsteht und dass sie ideal ist. 

Dies gehet freilich schwer ein, dass wir uns erst in die Zeit hineindenken. Deswegen: Ich soll mich in die Zeit denken, dies kann ich ja nicht, ohne selbst in der Zeit zu sein; allein wenn man so sagt, hat man gar nicht von der Zeit abstrahiert, man denkt das oberste Denken in der Zeit, welches nicht recht ist, denn das Übersinnliche ist nicht in der Zeit, und deswegen können wir es nicht denken, sondern bloß daraus erklären; hier kann es aber jedem überraschend klar werden.

Alles mein Denken, durch welches ich mich konstruiere, ist das Denken eines Ichs, in dem ein Mannigfaltiges liegt, nämlich Zweckbegriff und Handeln. Dieses wird 1. durch mein Denken unterschieden, also 2. dadurch in ein Verhältnis gesetzt. In welches? In das der Bestimmbarkeit und Bestimmtheit oder Dependenz, id est das Verhältnis in der Zeit: Das Bestimmbare geht dem Bestimmten voraus, der Zweck-//186//begriff geht dem Wollen voraus.
Nota.
- Das Ich ist, im Unterschied zu mir als Individuum, selbstverständlich nicht in der Zeit.
Auch hier wird Zeit nur als Reihenfolge aufgefasst, noch nicht aber als Dauer, welche uns doch schon als Schülern als ihre bleierne Realität vorgekommen ist.
JE


Ist wirklich erst Entschluss als Wille? Bedeutet wirklich Wahrheit vor der reinen Vernunft? - so lautet die Antwort: Nein, Wollen, Deliberieren und das Verhältnis, in die ich sie setze, ist alles bloß Erscheinung. Mein Bewusstsein geht nicht aus von Wollen, Zweckbegriff und Wahrnehmung eines Objekts, sondern es geht von allen aus, ist alles, in der Erfahrung erst trenne ich es. 

Der einfache Lichtstrahl fällt durch ein Prisma und liefert verschiedene Farben, niemand sagt, der Lichtstrahl sei diese Farben, sondern er sei einfach und durchs Prisma zerstreut; so lässt man sich wohl auch gefallen, wenn man von der Idealität der Raumes redet. Aber wenn man in die Zeit hereinkommt und einsehen soll, auch da ist ein einfacher Strahl, der in keiner Zeit ist, ist auch nur so ein Prisma,  nämlich unser sinnliches Vorstellungs- vermögen, durch das die Ausdehnung in der Zeit entsteht.

Allein dies muss man begreifen, z. B. die Begebenheiten in der Welt hängen zusammen wie Ursache und Wir- kung, zugegeben! In dem Begriffe der Kausalität liegt schlechthin keine Zeit; denn das Bewirkte ist absolut mit der Wirkung zugleich, auch mechanisch gedacht. Denn entsteht denn eine Verküpfung erst hinterher nach der Ursache? Nein, wenn der Finger eindrückt, entsteht die Grube. Alles, was ist, ist Bewirktes der Ursache und gleichzeitig mit ihr, was ist diese Ursache? Wieder Bewirktes, und so fort in Ewigkeit. So entsteht keine Zeit, alles ist ein Schlag.

Woher kommt denn also die Zeit, die wir denn doch haben? Daher: Wir können das Bewirkte und Bewirken- de nicht auf einmal denken, man geht von einem zum andern fort, hier gibt das Denken die Zeit. Auch dies nicht einmal, sondern das ursprüngliche Anschauen des Denkens, eine Analyse der Begriffe liefert die Zeitverhältnisse.

Der Anfang alles Bewusstseins ist Syntheis und Analyse zugleich, und durch letztere entsteht ein Maniigfaltiges. Ein erster Moment des Bewusstseins, der dafür erkannt wird, kann nicht sein, denn alles ist immer ein Stück.

Ein Kind komme in dem Momente X zum Bewusstsein, das wäre der erste Moment, es findet sich wollend, es kann dies nicht erklären, ohne ein Moment Y vorauszusetzen. Für Gott ists der erste, aber nicht für das Kind. Dieses müsste wieder Z voraussetzen und so fort. Kein //187// Mensch weiß, wann er stirbt. Dies ist klar, wir denken immer mehr Zweckbegriffe. Aber kein Mensch hat auch gewusst, wann er anfange. -

Das Bewusstsein ist überhaupt in keiner Zeit, nur sie hat Anfang und Ende. Die ganze Zeit ist bloß Ansicht, die [dadurch] entsteht, dass wir an das erste angenommene Wollen ein anderes als Erklärendes anknüpfen, und auch vorwärts etwas anknüpfen, was daraus folgen soll.
Nota.
- Deutet die stilistische Unsicherheit dieses Passus darauf, dass der Protokollant den Vortrag nicht recht verstanden hat, oder darauf, dass der Vortrag unklar war? F. will uns sagen, die Zeit entstünde erst im Denken, 'in Wahrheit' sei alles zugleich und auf einen Schlag, denn auch die Vorstellung von Ursache und Wirkung und daher die Unterscheidung von Zuerst und Danach stammten allein aus dem Denken.
Durch Wirkendes und Bewirktes kommt er immer nur auf die Sukzession, nicht aber auf die Dauer, die doch - während die Kausalität lediglich 'im Denken' sei - die sinnliche Seite der Zeit ausmacht; etwas, das gefühlt wird, nämlich Kurzweil und Langeweile: ob 'viel' oder 'wenig passiert'. Man darf sich fragen, ob nicht die Vorstellung von einer Reihenfolge aus der Anschauung der Dauer herzuleiten ist; denn die Gerichtetheit des "Zeitpfeils" ist in der Dauer schon enthalten.
Es ist ja hier nicht die Frage, 'was Zeit wirklich ist'. Sie ist eine Tatsache "unseres sinnlichen Vorstellungsvermö- gens", und es gilt, sie aus der Einen Prämisse der Wissenschaftslehre zu rekonstruieren. - Man kann nicht sagen, dass ihm das hier schon gelungen ist.
JE

Anmerkung C

Das Beschriebene ist nur ein Wollen, und eben in der Synthesis durch die Beziehuung des Seins aufs Denken und umgekehrt wird es ein Wollen - das will dem Menschen auch nicht ein. Wenn man ihn fragen würde: Willst du oder kannst du wollen: Jeder wird sich alles entreißen lassen, nur seine Persönlichkeit nicht. Aber das Wollen ist doch nur Erscheinung; es ist genau das, was oben geschildert worden ist, die Identität von Sein und Denken; diese ganze Wechselwirkung und nichts anderes ist das Wollen. Der Anfang des Bewusstseins und der eigentliche Mittelpunkt, an den das Übrige angeknüpft wird, ist Wollen. -

Aber haben wir uns nicht verirrt? Der Begriff der Aufforderung ist analysiert worde. Wir sind aber aufs Zweite gekommen, wir haben geredet von etwas anderem. Aber wir haben gefunden: Der Begriff der Aufforderung ist nicht das Erste, sondern das Wollen. Das Bewusstsein hebt von keinem Momente an, es ist Wollen. An diesen Moment des Willens wird durch die bloße Erscheinung das Übrige angeknüpft. 

Das Deliberieren, Herausgreifen kommt vor, aber es ist etwas zur wirklichen Bestimmung meiner Hinzugesetztes, wobei das letztere dem Wollen vorausgegangen sein soll. (Man könnte den Transzendentalen Idealismus einteilen in Idealismus des äußern und innern Sinnes, oder des Raums und der Zeit.) Kurz, in dem Fortgange des Bewusstseins scheint uns das, das den Willen bedingt, in uns selbst zu liegen; bei dem Anfange der Indivi- dualität scheint diese außer uns in einer fremden Vernunft zu liegen.
Nota.
- "Aber das Wollen ist doch nur Erscheinung" - Erscheinung wessen? Einer Substanz, eines Wesens? Das Wort gebraucht er sonst nicht. Was bedeutet es hier? Der ganze Abschnitt ist dunkel. Fast möchte man es dem Protokollanten anlasten, der Fichtes Rat nicht gefolgt wäre und bloß Worte mitgeschrieben hätte, ohne auf den Sinn zu achten. Das ist sonst allerdings nicht seine Art, und vielleicht hat er sich vergeblich um einen mitteilba- ren Sinn bemüht? - "Der Anfang des Bewusstseins und der eigentliche Mittelpunkt", das ist das Wollen, eben noch "nur Erscheinung", auch.
JE
//188//                                                                       4.

In der Aufforderung nun soll ich mich finden, so gewiss ich aufgefordert bin, aber unter welcher Gestalt finde ich mich? In dem beschriebenen synthetischen Denken finde ich mich denkend einen Zweck [und] denkend ein durchs Denken desselben bewirktes Objekt, beides in demselben Momente, oder richtiger: in keinem Momen- te, außer aller Zeit.

Wir haben also zwei äußere Glieder, in deren Mitte das synthetische Denken liegt und das Innere derselben ausmacht. Es wird sich finden, dass jedes von beiden wieder an ein Äußeres geknüpft wird und wir ein Fünf- faches erhalten im Bewusstsein, also einen synthetischen Periodum, der immer fünffach ist. Wir haben hier den Vorteil [sic] von den Inneren heraus; nicht, wie in der gedruckten Wissenschaftslehre, von außen herein. In dieser Synthesis liegt alles Denken darin, denn alles ist ein bestimmtes Selbstbewusstsein.

Jedes synthetische Denken ist auch Analyse, wodurch es in die Zeit verstreut wird, und durch die Beziehung dieser Verhältnisse erhalte ich ein mannigfaltiges Denken, und nur dadurch auch ein Mannigfaltiges für das Denken. Die gemeine Ansicht widerspricht zwar dieser Ansicht - weil man, um in der Zeit zu denken, schon in der Zeit sein müsse? Dies sagt aber ein Reflektierender; wenn er anders denken könnte, so wären unsere Sätze unrichtig.

Wir können doch aus der Form des Bewusstseins in der  Erfahrung nicht herausgehen? Wir erhalten sonach eigentlich zwei Reihen neben einander:

1) Reihe des idealen Denkens, ausgehend vom Denken des Zwecks;
2) des realen, ausgehend vom Denken des Objekts unseres Willens. 

Eine nicht ohne die andere, eins nur [durch] das andre möglich; aber hier im Philosophieren müssen wir sie einzeln denken.
I. Über die Reihe des Idealen

Ich setze mich in diesem Denken des Synthetischen als entwerfend einen Zietbegriff; dieses ist ein Denken, ich denke //189// mich also als denkend - wer demkt mich? Ich selbst im synthetischen Denken, dessen Gegenstand ein Wollen ist; wie verhält sich zu dem letztern das Denken eines Zweckbegriffs? Offenbar wie Bedingendes zu einem Bedingten, also es geht der Zeit nach vorher, das letztere steht zu  ersterm im Verhältnis der Depen- denz. 

Ferner in diesem Entwerfen des Zweckbegriffs wird das Ich als denkend gedacht; was also dem Willen vor- hergehen soll, ist ein Denken, also doch das Denken meiner als wollend, und es zu erklären, wird ein anderes Denken gesetzt, produziert. Es wird als Vorausgegangenes gedacht heißt: Es wird nicht identisch mit ihm, son- dern abgesondert gedacht, als außer ihm liegend. - Weitere Erläuterung! Durch analytische Methode, indem wir auf das Denken als das Subjektive und dann auf das Denken als Objektives sehen.

ad 1. Es ist ein synthetisches Denken, das sich selbst ein anderes entgegensetzt, wie das Denken des Zwecks allein (bei Kant gibt der Begriff die Syntheis, es sei, als wenn schon zwei zu Vereinigende da lägen; so hier nicht, sondern C ist, und in diesem C ist wieder A und B in der Vereinigung, welche wiederum erst durch das Setzen des C entsteht, welches also offenbar Duplizität ist, teils eines ist, teils zweierlei ist.) Hier ist ein Bewusstsein = C (das synthetische Denken, das Bestimmte in diesem Falle, das empirische Wollen), darinnen liegt das Entwerfen des Zweckbegriffs, es liegt drinnen ein Objekt, das durch mein Wollen bewerkstelligt werden soll. Durch beider Vereinigung wird C ein Wollen, aber in der Vereinigung werden sie auch getrennt. Also A wird auch besonders gesetzt; nun ist A ein Denken, ist dies vorhergegangen in irgeneinem Momente? Es wird also nur gesetzt als vorhergegangen, es ist bloße Produktion.

Es gibt ein Denken, das nicht gedacht wird, sondern bloß gedacht, dass es gedacht wird, so hier: Der Zweck wird nicht entworfen, sondern gesetzt, dass er entworfen sei, also dieser erste Moment wird beim Knüpfen des Vernunftsystems vorausgesetzt.
Nota.
 - Während die historische Darstellung es mit dem Faktischen, die logische Darstellung mit den Begriffen zu tun hat, sieht die genetische Darstellung auf das lebendige Vorstellen selbst, das den beiden andern zu Grunde liegt. Es wird (in realer Tätigkeit) ein Bild geschaffen, dieses wird (ideal) angeschaut und im Begriff bestimmt. Im Begreifen wird sie in ihre Bedingungen zerlegt, die indessen nicht selber zuvor vorgestellt, "eingebildet" wurden, sondern hernach 'als vorgestellt vorgestellt' werden. 
In der logischen Untersuchung scheint es, als seien die Prämissen des Begriffs "per Definition" in ihm enthalten, "auf einen Schlag", sie 'dependieren' gegenseitig von einander, vorwärts und rückwärts, ohne Zeit. Die logische Darstellung ist ohne Zeit, Begriffe und Schlussregeln sind, noch bevor sie ein Zeitlicher denken kann. 
In der genetischen Darstellung des wirklichen Vorstellens wird dagegen nur "so getan, als ob" es ohne Zeit ge- schähe, es wird von der Zeit zuerst noch abstrahiert, doch sobald es 'objektiv' wird und qua Zweckbegriff auf wirkliche Gegenstände geht, tritt das Verhältnis der Dependenz ein, und die hat eine Richtung; wenn auch 'aus Freiheit' zu bestimmen bleibt, wohin, so bleibt doch stets präsent, woher - nämlich vom tätigen Subjekt. Der Setzende setzt Eins, doch sobald er darauf reflektiert, nämlich zu bestimmen beginnt, zerfällt ihm das Eine in ein Mannigfaltiges. Nicht Dieses dependiert von Jenen, sondern Jene dependieren von Diesem. Die Vorstellung, dass es Vorstellungen an sich und ohne Vorstellenden gäbe, ist unvorstellbar.
JE
 
Niemand wird sich des Sterbens oder Geborenwerdens bewusst. Es gibt also keinen Moment des //190// Anfangens. Dies synthetische Denken hat zwei Teile; welches ist nun das Verhältnis beider? Ersteres ist das Bestimmte, letzteres das Bestimmende. Z. B. wie ist denn das Denken einer gegenwärtigen und einer abwesenden Sinnesvorstellung unterschieden, oder wie ist der gegenwärtige Moment von allen andern verschieden? Er ist bloß das Bestimmte, und das Vergangene [wird] als bestimmend gedacht. Das Gegenwärtige wird bestimmend werden, wenns einmal das Vergangene sein wird, aber von der Zukunft weiß ich nach gar nichts, das Vorausgesetzte ist bestimmend und bestimmt.

So ist klar: Der Zweckbegriff soll sein ein Bestimmendes zum wirklichen Wollen. Letzteres soll ein Bestimmtes sein, aber wohl kann es ein Bestimmendes werden, davon reden wir aber nicht. -


Also der Zweckbegriff ist nichts Wirkliches, sondern bloß gesetzt, [um] das Wollen zu erklären. Das Auswählen des Zweckbegriffs aus den mannigfaltigen Möglichen wird als das Bestimmende gedacht.
Nota.
- 'Bestimmen' ist das Schlüsselwort der Wissenschaftslehre. Ist es ein Begriff? - Der quasi-ontologische Grundstein ist Tätigkeit, und was ist Tätigkeit? Es ist im weitesten Sinn das Übergehen vom Brestimmbaren zum Bestimmten. Worauf bezieht sich aber 'bestimmen'? Nicht aufs Sein; das ist oder ist nicht. Sondern auf Gelten oder auf Bedeutung oder das, was man an einem Seienden als sinnhaft finden kann. 
Doch anders als das - da- Sein lässt sich Geltung nicht formalisieren. Nichts bedeutet "überhaupt", sondern immer nur dieses oder jenes; und nur diesem oder jenem. Es ist etwas Neues, das hinzukommt - zwar aus Bedin- gungen 'hervor gegangen', aber nicht aus ihnen zusammenengesetzt. Mit andern Worten: Logisch, nämlich aus de- finierten Begriffen und geprüften Verfahren, lässt es sich nicht herleiten. Darum nennt F. seine Darstellungs- weise eine genetische: Es sind sinnhafte, qualitative Setzungen, die sich nicht 'aus einander entwickeln', sondern die ein Tätiger generieren muss, wenn sie geschehen sollen, und deren sinnhafter Implikationen er sich erst in nachträglicher Reflexion gewiss wird. 
Qualitäten lassen sich nicht definieren, dazu müssten sie in Relation stehen, aber dann wären sie relativ und nicht qualitativ. Man kann sie nur anschauen, indem man sie einbildend selbst hervorbringt.
JE

Wir wollen zweitens auf das gedachte Denken sehen. Das Ich soll wählen, wie gesetzt wird, oder (das Ich denkt) unter dem Mannigfaltigen, um sich selbst zu bestimmen, so dass das Objekt seines Willens in der Sin- nenwelt wirklich werde. Also das Wählen setzt sich selbst voraus, es weiß es schon, dass es wählen kann und Kausalität hat, das Ich ist also mit sich selbst schon vollständig bekannt, es setzt sich in der Entwerfung des Zweckbegriffs voraus, dies ist hier der Hauptpunkt! 

Zuvörderst - wie setzt sich das Ich voraus, notwendig voraus in jenem Wählen? (Der Form nach nicht, was ist es materialiter?) Das Ich selbst in diesem Akte ist bloß Bestimmbares, nicht Bestimmtheit, es schreibt sich nicht eine bestimmte Kausalität zu dem oder jenem Erfolg zu, sondern setzt eine Kausalität überhaupt voraus.  

Man wolle doch ja Abstraktionen und konkrete Wahrheiten [sic] bemerken, zu erstern gehört der Moment, wo ein Zweckbegriff gefasst wird. Es ist der Begriff von meiner Wirksamkeit überhaupt, nicht Wahrnehmung einer bestimmten Wirksamkeit. Es ist eine solche Gestalt, in der ich mich selbst in Entwerfung des Zweckbegriffs finde. 

Das Ich wird nur über-//191//haupt hingedacht, es ist eine abstraktes Denken, ein Schweben über Entgegengesetzten, doch mit dem Bewusstein, dass es Entgegengesetzte sind: so im Entwerfen des Zweckbegriffs meiner selbst, das Denken. Aber wies Denken ist, fällt auch sein Objekt aus, denn beides ist ja nur ein aus verschiedenen Ansichten Verschiedenes.
Nota. 
- Statt konkreter Wahrheiten wird F. wohl konkrete Wahrnehmungen gemeint haben. Hier kommt es aber auf die Abstraktionen an: Diese erscheinen erst der 'idealen' Tätigkeit = Reflexion. ('Bedeutung überhaupt' gibt es nicht, es ist nur eine nachträgliche Abstraktion.) 
- Das Ich setzt sich nicht schlechtweg: "Hoppla, jetzt kommt Ich!", sondern setzt sich als sich selbst vorausgesetzt; so, als ob es 'schon immer da gewesen' sei. Darum kann es sich einen wirklichen Anfang auch nicht vorstellen (und ein Ende will es sich nicht vorstellen).
Darum sind die empirischen Iche auch so leicht dazu zu überreden, dass sie "eigentliche" nur ein irdisches Akzidens einer überirdischen Substanz wären: Da fühlen sie sich nicht mehr so auf sich allein gestellt. Als Jacobi an Fichte schrieb, er bräuchte zum Leben etwas, woran er glauben kann, meinte er weniger den heiligen Geist, der ihn ruft, als vielmehr die sichere Hand eines Schöpfers, in der er ruht wie in Abrahams Schoß.
Das Ich setzt nicht nur sich selbst, sondern sich selbst als seinen eigenen Schöpfer. Das ist eine Anmaßung, und es wird ein Leben lang zu tun haben, ihr gerecht zu werden. Doch anders kann es nicht sein eigner Herr sein.
JE


 
Nun wird ja jeder selbst nach gemeinem Verstande ohne Prinzipien behaupten, dass ein abstraktes Denken nicht möglich ist ohne ein konkretes, so dass die Abstraktion etwas voraussetzt, wo das zu abstrahierende vorkommt. So kann ich hier auf Voraussetzung des Wollens nur in soweit schließen, als ich sie schon in concreto gefunden habe; sonach verhält sich das abstrakte Denken zum konkreten wie Bedingung zum Bedingten. - 

Das Wollen setzt einen Zweckbegriff voraus, dieser wieder ein Wollen, dieses wieder einen Zweckbegriff und so ins Unendliche. So gibts also keinen Anfang, eines treibt uns aufs andere wie schon oben mit dem Erkenntnisbegriffe, dieser Zirkel ist noch tiefer als obiger. -

Es ist schon gezeigt worden, dass nicht von einer Reihe der Gedanken und ihrer Sukzession an sich geredet werden kann, sondern von einer Erscheinung der Sukzession für uns; so dass wir uns nur denken als denkend in der Zeit, nicht aber wirklich in der Zeit sind. Im synthetischen Denken = C setze ich mich, finde ich mich selbst als wollend. Diesem setze ich A voraus, und nun ists kein Wunder, dass ich das, was in C liegt, in A setze; dies tue ich, weil A bloß Denken vom Entwerfen des Zweckbegriff ist; ich setze es bloß in die Form der Kausalität, ohne ihm doch eine bestimmte [Kausalität] beimessen zu wollen.

(Der Zweckbegriff geht auf eine schon daliegende konkrete Erkenntnis, von da wird durchgegangen zu einem bestimmten konkreten Wollen.) Nur in so fern kann man sagen: Das Ich findet sich, anstatt es denkt sich als findend. Denkt man das synthetische Denken allein, so macht sich das Ich ohne Bewusstsein; nach Vereinigung aber beider Denken findet es sich, wenn es sich selbt vorher schon gemacht hat.
Nota. 
 - Es ist doch merkwürdig, dass er, wo es um das Verhältnis von Abtraktem und Konkretem geht, zunächst davon abstrahiert, dass doch einer vom Konkreten abstrahiert haben muss, wenn es zu einem Abstrakten kommen soll, und das Verhältnis rein logisch, also umgekehrt darstellt - statt genetisch korrekt. Die folgende Ausführung scheint mir dann aber das Gegenteil zu besagen. (Blöde Frage: Hat sich Krause verschrieben?) 
Wahr ist allerdings auch: 'Das, was' ich im Konkreten auffinde und daraus abstrhiere, muss ich als - unbestimmte? - Vorstellung schon 'gehabt' haben, sonst hätte ich es nicht bemerken können. - Was das Konkrete, was das Abstrakte ist, hängt offenbar davon, von welcher Seite ich es ansehe... 
JE
Anmerkung A. 

Dies ist die charakteristische Auszeichnung der Wissenschaftslehre: Ich denke nur mein Denken in die Zeit //192// hinein; nur dadurch, dass mein Denken Gegenstand des Bewusstseins wird, fällt es mir in die Zeit. Dies wird bei Kant vernachlässigt, da der Begriff der Ichheit vernachlässigt wurde. Das Denken hat die Zeit schon bei sich; wer also vom bloßen Denken redet, der kann gar nicht darauf kommen, die Zeit abzuleiten; in die Zeit fällt aber nicht das Ich, und wenn man weiß, dass dem Denken Bewusstsein beiwohnt, kann man darauf kommen, die Zeit abzuleitem.

Die Wissenschaftslehre ist nicht etwa selbst Erzeugerin einer Erkenntnis, sie ist bloß Beobachterin des menschlichen Geistes im ursprünglichen Erzeugen aller Erkenntnis, aber das Kantische System geht in der Beobachtung nicht zu Ende wie die Wissenschaftslehre. Der gemeine Verstand tut aber und beobachtet nur das Produkt seines Tuns; merkt aber nicht, dass er beim Tun die Zeit u.s.w. erzeugt. Die Wissenschaftslehre gibt aufs Tun selbst Acht, welches [die] erwähnte Synthesis ist, und sie muss diese Synthesis unabhängig von der Analyse aufstellen; nur so entsteht eine genetische Einsicht in den Ursprung unserer Vorstellungen.

Zeit ist nur ein Verhältnis, in welches wir unsere Vorstellungen zu setzen genötigt sind. Das Gesetz dazu sehen wir entstehen, mit ihm die Zeit, aus diesem Verhältnisse in der Zeit entsteht alles Übrige. Dieses ist der Hauptpunkt der transzendentalen Philosophie.

Anmerkung B. 

Demnach - wie das Ich sich denkt in dem beschriebenen Denken, so denkt es sein ganzes Bewusstsein, seine ganze Erfahrung mit, also das Intelligible oder Apriori im Kantischen Sinn des Worts und Aposteriori, beides sind ganz dasselbe, bloß angesehen von verschiedenen Seiten.
Nota.
-  Das synthetische Denken, von dem im letzten Paragraphen gelegentlich verwirrend die Rede war, ist das Denken der Wissenschaftslehre. Wenn der gewöhnliche Verstand denkend handelt, achtet er nur auf die Produkte seines Handelns, und das sind gewöhnlich Begriffe - darunter die Zeit, durch die sie zu einander im Verhältnis (der Sukzession) stehen. Die Wissenschaftslehre sieht aber nicht nur dem Auftreten der Begriffe zu, sondern zugleich der Tätigkeit des Begreifens; und zwar beiden zugleich, denn trennen lassen sie erst wieder in der Reflexion. (Auch das gewöhnliche Denken reflektiert, aber es hat hier nichts zu trennen.) 
Dieses Verfahren, das nicht darstellt, wie die Begriffe auseinander hervorgehen, sondern wie das Ich Vorstellun- gen hervorbringt, die es in Begriffen fasst und fungibel macht, heißt das genetische.
Noch immer ist die Rede nicht vom empirischen Subjekt, sondern vom Ich als Noumenon und seinem 'Be- wusstsein überhaupt'.
JE
Zweite Haupthälfte dieses Paragraphen

Wir stehen bei der Darstellung des Hauptgedankens: Alles Bewusstsein ist nur Selbstbewusstsein. Dazu ist genetisch nachzuweisen, dass und wie aus dem Bewusstsein unserer selbst alles Bewusstsein auf dem gewöhnlichen Gesichtpunkt fließe. Wir //193// haben vorgearbeitet: Das Ich wird gedacht dadurch, dass Sein und Denken als absolut identisch gedacht oder vereinigt werden (Idealität und Realität sind eins); nicht ein Sein und Denken des Ich werden als ein s gedacht, sondern durch die Vereinigung des Seins mit dem Denken kommt das Ich selbst zu Stande. Denn das Ich ist ja noch nicht vorausgesetzt, sondern wir wollen erst seiner Entstehung zusehen. Dieses ganze Bewusstsein und Ich, dieses beides sind ganz dasselbe, nur angehen von zwei Seiten; im gemeinen Bewusstsein ist es Ich, in der transzendentalen Philosophie [ist es] Identität des Seins und des Denkens.

"Diese Synthesis nun ist das Bewusstsein", dies wollen wir beweisen. Dafür ist schon folgendes geschehen: Jenes Synthetisieren des Seins und Denkens ist zugleich ein Analysieren, und dadurch wird das Synthetisieren erst möglich. Das mannigfaltige Sein und Denken und die Vereinigung wird in einem und demselben Akte gesetzt. Sehen wir nur auf die Analyse, so bekommen wir gleichsam zwei Reihen; jedes einzelne ist ein Ich auch nur, in wiefern es gedacht wird - und nicht angesehen wird als gedacht und erzeugt in demselben Momente, sondern diskret in einer Zeitreihe. Dieses zerstreute Denken ist in der höchsten Synthese eins. Mein unmittelbares Denken ist nicht in der Zeit, sondern dadurch wird mein vermitteltes Denken in die Zeit heineingesetzt.
Nota.
- "...wird in einem und demselben Akt gesetzt", und sobald auf diesen Akt reflektiert wird, muss es so erscheinen, als sei Sowohl die Zweiheit als auch die Einheit, jede für sich, zuvor bereits 'dagewesen'. Die Spra- che schiebt dem Denken stets, wenn es sich auch eben erst davon freigemacht hat, die Vorstellung von einem An-sich wieder unter. Die logische Darstellung durch reine Zeichen kanonisiert das dogmatische Denken. 
Die genetische Darstellung, die die einzelnen Bestimmungen in ihrer Entstehung sichtbar machen will, muss sich notdürftig damit behelfen, dass sie alles, was sie sagt, in der nächsten Zeile wieder zurücknimmt, ein- schränkt oder umkehrt. Ja ja, nein nein kann ihre Rede nicht sein. Dass die genetische Darstellung verwirrend ('dialektisch') ist, liegt an ihrer Absicht und lässt sich nicht ändern.
JE
Vorerinnerung
 
Im synthetischen Denken wird ein mannigfaltiges Diskretes gedacht: Als man das sagte, schwebte man über dem synthetischen Denken selbst, es war das Objekt. Jetzt stellen wir uns tiefer in den Standpunkt des synthetischen Denkens selbst, es soll das Subjektive sein, das wir nachahmen; das Mannigfaltige soll jetzt als solches betrachtet werden, nur haben wir immerfort auf die Vereinigungspunkte jedes Denkens mit dem andern [zu] sehen, und so werden wir das synthetische Denken wieder bekommen und werden das, was wir bloß analytisch durchgingen, aus den Teilen wieder zusammensetzen.
Nota.
- 'Schweben' heißt hier das Verhältnis der zweiten semantischen Ebene zur ersten semantischen Ebene: was die Sprache mit dass kennzeichnet, das Reden "über", metà-. Die Vokabel ist ganz treffend, denn dass es sich um eine 'bloße Form' handelte, kann man doch nicht sagen, es ist schon eine sachliche Bestimmung; aber noch ohne Bestimmung. - Da liegt eine ganze gedachte Welt drin, und man kann sagen, das Schweben sei überhaupt das eigentümliche Aroma der Wissenschaftslehre (aber sie verabscheut das Ungefähr).
 JE
//194//                                                                                               1.

Allgemeiner regulativer Satz. Wir prüfen ein diskretes zerstreutes Denken. Wir haben mehrere besondere Denkakte aufzustellen, nun sollen diese doch synthetische vereinigt sein, einer nur durch den andern möglich sein. Bei jedem besondern Denken wollen wir prüfen, wodurch dasselbe an den synthetischen Perioden angeknüpft sei und auf welchem Wege zu einem anderen Denken übergangen werde.

Das unmittelbare Objekt ist das Diskrete, das Besondere, das Vermittelnde für die Synthesis. Diese Bestandteile müssen jetzt charakterisiert werden. Alles Denken ist ein tätiges Bestimmen, also ein Übergehen von Bestimm- barkeit zu Bestimmtheit. Nur, in wiefern wir irgendeinen Zustand des Ich so denken werden, werden wir ein Denken des Ich denken. Es ist also ein sich selbst Bestimmen, da es Denken des Ichs ist, das objektive Denken, womit wir es zu tun haben. 

Das Wesen des Diskreten als solchen ist daher, in welchem das Ich als durchgängig bestimmt erscheine: das Vermittelnde, das sich zu diesem verhält wie das Bedingende, welches sonach in den vorhergehenden Zeitpunkt fallen würde.* Ich habe daliegen A, dieses ist nicht etwa was Besonderes, sondern bloß synthetische Vereinigung von einem diskreten Denken A, B etc. Wir wollen jetzt nicht sehen auf A, sondern einzeln auf A, B, C nach der bequemsten Ordnung. 
*) Dies die Interpunktion in Krauses Ms. Ich lese so: Das Wesen des Diskreten als solchen ist daher, in welchem das Ich als durchgängig bestimmt erscheine: das Vermittelnde, das sich zu diesem verhält wie das Bedingende, welches sonach in den vorhergehenden Zeitpunkt fallen würde. - Das ist rätselhaft genug. Die Red. der GA setzt an die Stelle des Doppelpunkts ein Semikolon; das klingt ganz sinnlos.
 JE

Ich soll nun z. B. A betrachten; ich muss also anzeigen, was es für ein Denken ist; das hilft aber nichts, da A nicht an und für sich betrachtet wird, sondern als Punkt einer ganzen Synthesis. Es muss also gezeigt werden, wie sich an B α, β usw. anschließt, und daraus muss ich das A herausbekommen. Also ich habe zweierlei zu sehen: Wie ist A für sich, und was ists in Beziehung auf α, β usw.? 

Es ist notwendig, dass wir das unterscheiden, der eigentliche Bestandteil von A ist das zuletzt Bestimmte. Das Unmittelbargegenwärtige, das, wodurch es sich anschließt an B, C [und] wodurch es zum Teil des Synthetischen wird, verhält sich zu Ersterm als bedingendes in der Zeit Vorhergehendes. So ist der Zweckbegriff und die Unvollständigkeit des Willens, nach der er nicht aus sich selbst erklärt werden kann, ist [sic] das Bedingende zum Willen.

//195//                                                                               II. 

Wir machen hier mit der realen Reihe den Anfang. Zur Erleichterung des Gedächtnis [sic] wollen wir die Synthesis in der Mitte A nennen; das zunächst liegende Reale heiße B, das daran sich schließende äußere Reale C; von der andern Seite her wollen wir das zunächst liegende β und das äußere γ nennen. Jetzt reflektieren wir auf B als ein besonderes Denken, es ist das Denlken eines durch die Kausalität des Willens hervorgebracht sein sollenden Realen; versteht sich: eines realen Denkens.

Hier ist zu unterscheiden A) der eigentliche Denkakt, B) wodurch er zusammenhängt mit etwas anderm. Der erste ist leicht zu beschreiben, das Denken findet sich gebunden, es ist mit B ein Gefühl und in Beziehung aufs Denken ein Gefühl der Denknotwendigkeit verknüpft. Es soll ein aus dem Gefühle folgendes Denken sein, dass das Gefühl nicht statt finde bei dem Denken selbst etc. vide supra.

Welches ist nun das damit verknüpfte bedingende Denken, womit sichs an den Perioden anknüpft?

Dass das Ich das Bestimmende dieses Objekts sein soll durch den Zweckbegriff. Diese Vermittelung überhaupt ist das Medium, wodurch das Ich das Objekt sieht, gleichsam das Auge; ich sehe durch mein Machen hindurch das Gemachte, ich weiß unmittelbar nur von meinem Machen. So wie in der Mathematik mit der Konstruktion bewiesen wird.

Das Ich als Bestimmendes ist das Vermittelnde in der Vorstellung des durch mich Bewirkten. Wie wird es gedacht als bestimmend? Wir wollen nämlich genetisch beschreiben, wie für uns ein Bewusstsein des Gemachten entsteht. Das Ich sieht unmittelbar auf sein Bestimmen und sieht ihm zu, an dieses Bestimmen und Modifizieren knüpft in seinem Bewusstsein sich ein Bestimmtes. 

Alle Ansicht ist subjektiv oder objektiv. Ich sehe mein Bestimmen, und zugleich muss ich auch ein Bestimmtes erblicken, nach dem Bestimmen wird das Bestimmte gedacht: ersteres ist das obenliegende Unmittelbare. Dieses Verhältnis heißt: Das Bestimmen oder der Zweckbegriff des Ich soll den Grund enthalten für die Beschaffenheit des Objekts. So kommt der Satz des Grundes ins Gemüt, er bedeutet eben dies Verhältnis, in welchem , wenn es bloß analysiert wird, ein Verschiedenes durcheinander hindurch gedacht [wird].
Nota.
- F. hat die Symbole A, B, β und γ anscheinend an die Tafel geschrieben, um seine mündlichen Sätze zu veranschaulichen. Für uns Leser der Druckfassung muss umgekehrt der gesprochene Text die Symbolik erklä- ren. - F. will an die Stelle der Mechanik der Begriffe die Dynamik der lebendigen Vorstellung treten lassen, das unterscheidet die Wissenschaftslehre von allen anderen philosophischen Systemen. Seine Symbole sollen Hand- lungen repräsentieren, sie sehen aber aus wie Zeichen für toten Stoff.
JE 

In dieser Kate-//196//gorie ist ein vermitteltes Denken wie in allem. Es kann zwar allerdings im diskursiven Denken herauf oder herunter gestiegen werden, aber das ursprüngliche Denken nimmt es so an, dass die Ursache die Wirkung so mache, wie sie ist, dass das Sein von der Ursachen ausgehe und weiter fortgehe. Dieses Denken geht aus von dem Denken meiner selbst, ich finde mich urprünglich als wollend, aus diesem folgt ein Wirken, an dieses in mir liegende Wirken knüpft sich notwendig an ein Bewirktes, da es kein Bestimmen ohne ein Bestimmtes gibt. Das Verhätnis ist, dass das Bestimmte durch das Bestimmende hindurch gesehen wird. -

Man könnte sagen wollen: Der Grund ist das Bestimmende des Bestimmten, oder das in ihm Quantität Gebende. Aber die Wissenschaftslehre weiß bloß von einem Denken, nicht von Bestimmenden und Bestimmten als Objekten. Warum dies geschehen muss, ist schon erörtert: da es Bedingung des Selbstbewusstseins ist, welches ein Subjektobjekt ist. Alles hier Aufgestellte ist ein Teil der Synthesis, durch das allein ein Ich für mich zu Stande kommen kann. 

So viel über die Form, wie das Denken eines Bestimmten ans Denken eines Bestimmenden sich anschließt; jetzt zur Materie: Der Unterschied des Zweckbegriffs und des reellen Objekts, dessen Ansicht durchs erstere vermittelt wird, ist bekannt. Das erstere ist etwas durch bloßes Denken Hervorgebrachtes, letzteres soll das Entgegengesetzte sein. Dies hat wichtige Folgen. Zuvörderst, dieses Objektive und Reelle außer dem Denken, wo ist es denn außer dem Denken? Im Gefühl und fürs Gefühl, das reelle Denken soll Denken fürs Gefühl sein, da das ideale nur sich selbst denkt und darstellt. 

Hier sonach ist der Platz, wo das Denken aus sich selbst herausgeht, sich bezieht auf etwas außer ihm und objektives Denken oder eigentlich Anschauung ist.
Nota.
- Kriterium für Objektivität im speziellen Sinn und für Wirklichkeit ist das Gefühl. Es bleibt bis jetzt aber dabei, dass er unter Gefühl sowohl das fasst, was herkömmlich als Sinnliekeit verstanden wird: die Meldungen des Sinneszellen an die Neuronen im Gehirn, als auch den Denkzwang, das 'Gefühl, nicht anders zu können'. - Solange er aus dieser Vermengung nicht doch noch eine Objektivität und Realität des Denkens selbst sophistiziert, ist es bloß eine Unsauberkeit. Andernfalls wäre es eine Subreption.
 JE

Man kann die gesamte Aufgabe der Wissenschaftslehre so ausdrücken: Wie kommt das Ich dazu, aus sich selbst herauszugehen? 

Dieses geschieht auch durch Vermittelung: die, dass das Ich nun zuvörderst herausgehe aus seinem ursprünglich Reinsten, aus dem Denken; daraus geht es fort zu dem Gefühl, //197// dies vermittelt das Herausgehen aus sich selbst, die Annahme einer Außenwelt. Der Platz nun, wo an das bloße Denken sich etwas anknüpft, was kein Denken ist, ist hier. Hier wird vom Denken fortgegangen zum Gefühl. Aber wenn wir dies noch näher ansehen, so scheint es doch nicht Stich halten zu wollen. Es ist nämlich sonderbar, dass ein bloßes Denken den Grund zu einem Gefühle haben soll.
Nota.
- Das war das Mysterium bei Plotin, Spinoza und Hegel: wie kommt die Substanz überhaupt dazu, ihre Identität zu verlassen und in Akzidenzen zu "emanieren" (E. Lask)? 'Warum ist GOtt Schöpfer geworden' - die Theologie verbietet diese Frage. Der spekulative Pomp der metaphysisch-philosophischen Systeme täuscht dar- über hinweg, dass sie sich an der Frage vorbeidrücken. Wenn sie aber der Theologie nichts Substanzielles hinzu zu fügen haben, wieso konnten sie's dann nicht bei ihr belassen? Die Philosophie ist dann überflüssig.
Der Transzendentalphilosoph Fichte dreht die Frage um. Er setzt nicht erst ein Ich, um es dann, warum auch immer, tätig werden zu lassen; sondern geht aus vom Faktum der vernünftigen Tätigkeit, das aus dem Noumen Ich erklärt wird. Tatsache ist, dass das (noumenale) Ich aus sich heraugegangen ist. Er muss nun nicht seine Phantasie schweifen lassen und raten, was es dazu veranlasst haben könnte. Er muss lediglich heraus finden, wie das möglich war. Eine Notwendigkeit wird nicht behauptet.

Nota II.
- Fichte hat nicht nur die neuzeitliche Dialektik in die Welt gesetzt, er hat auch ihre besondere Termi- nologie geschaffen: Der Begriff der Vermittlung kommt in systematischer Bedeutung anscheinend zuerst bei ihm vor. (Nur von 'Dialektik' hat ernie geredet.
Nota III.
- Es ist sonderbar, dass ein bloßes Denken der Grund zu einem Gefühle sein soll: Das hat er nun erkannt und zugegeben. Wird er nun dies Mysterium lüften?
JE

Das Bestimmen des Ich wird nun selbst in und durch das beschriebene Denken = B zu etwas Anderem, dadurch jedenfalls versinnlicht und wird zur sinnlichen Kraft. Durch Bestimmtheit dieser sinnlichen Kraft soll nun ein Zweckbegriff Ursache sein. Wie es mit dieser Verwandlung zugeht, wird erst unten genetisch geschildert werden. Aber dass es so sein müsse, ist gleich nachzuweisen. 

Nämlich der Zustand des Denkenden in diesem Moment ist doch wohl der eines reellen sinnlichen Denkens; nun wird in demselben Akte das Entwerfen des Zweckbegriffs mitgedacht und erst durch diesen hindurch die Beschaffenheit des Objekts gesehen. Also muss auch das erste sinnlich werden, und sonach ensteht hier abermals ein Spalten, und es kommt in doppelter Ansicht das Ich vor; teils als Zweckgebriff und [teils] als sinnliche Kraft, beides vereinigt und zersplittert dadurch, dass zwei verschiedene Denken stattfinden: reines Denken und sinnliches Denken.

Historisch bekannt sind diese Sätze genung, und derselbe Satz ist schon oben dagewesen, der: Was ist mein Leib? Nichts als gewisse Ansicht meiner Kausalität als Intelligenz, weil ich als Leib durch ein sinnliches Denken Verbreiten im Raum und Verwandeln in Stoff gedacht werde [sic].
Nota.
- Inwischen ist immerhin die Intelligenz Leib geworden; dann wird hoffentlich auch bald das Denken Gefühl werden können.
JE

Noch ist das Verhältnis zwischen den Bestimmenden und Bestimmten zu klären. Ich selbst als Intelligenz soll das Bestimmende sein; ich sehe durch meine Begriffe hindurch das Objekt, es ist das Verhältnis der Dependenz, dass nun das Objekt von meinem Zweckbegriff dependiere; dies kommt bestimmt in der Erfahrung vor. Der gegenwärtig abgeleitete Begriff ist der des Real grundes, weil die Verwandlung im sinnlichen Denken vorgeht, und das angezeigte Verhältnis ist das //198// der Kausalität. -

Was ist eine Kategorie? Kant sagt, er sei im Besitz der Definition und wolle sie nicht geben, um sich gewissen Einwendungen nicht auszusetzen, deren er sich überheben könne. Dies ist Kant als ehrlichem Manne zu glauben, jene Schwierigkeiten lassen sich wohl auch einsehen; er was nämlich ängstlich, seinen Idealismus unverdächtig darzustellen. Dies wird völlig klar, denn wenn man die verschiedenen Ausgaben der Kritiken* vergleicht, so findet man, dass Kant in der zweiten zurückgegangen ist. Er würde diese Zurückhaltung nicht gebraucht haben, wenn er sich Gewandheit der Sprache zugetraut hätte. Hätte er sie Definition gegeben, so wäre sein System ganz anders erschienen.
*) Ausgaben der KrV 

Die Kategorien sind die Weisen, wie das unmittelbare Bewusstsein zu einem mittelbaren wird; die Weisen, wie das Ich aus dem bloßen Denken seiner selbst herausgeht zu dem Denken eines Anderen. Sie sind nicht etwa etwas Verknüpfendes, sondern sie sind die Weisen, ein Einfaches zu einem Mannigfaltigen zu machen, das Einzelne doppelt anzusehen. 

Die Kategorie der Kausalität ist, da an den Zweckbegriff eine reelle Beschaffenheit als etwas Bestimmtes geknüpft wird [sic]. Es gibt drei Grundkategorien: Substanzialität, Kausalität und Wechselwirkung; übrige gehören nicht hierher, bloß die Kategorien der Relation. 

Ich finde mich als wollend (Grundgesetz), so nur, in wiefern durch meinen Begriff etwas wirklich werden soll. Dies ist Gesetz meiner sinnlichen Erkenntnis. Nun ist diese Wirklichkeit nicht, außer in wiefern sie durch mei- nen Begriff sein soll, sie wird also nicht erblickt, als insofern mein Begriff als Kausalität habend angeschaut wird; nur insofern, wie die Kategorie etwas hinsetzt, produzierend ist. An einen Begriff als einen wirkenden wird die Wirkung erst hinzugedacht; durch die Kategorien wird etwas. 

β erhält selbst besondere Ansicht als bestimmend durch sinnliche Kraft und durch bloßes Denken; dass es aus dem durch bloßes Denken eins durch sinnliche Kraft werden muss, ist gezeigt [sic].
Nota.
- Die Unsicherheit des Ausdrucks lässt es denkbar erscheinen, dass der Protokollant nicht recht ver- standen hat. Mir jedenfalls fällt es schwer, etwas anderes zu glauben. 
JE
//199//                                                                             3.

Der Zweckbegriff oder das Bestimmen des Ich kommt [vor] in doppelter Ansicht: teils als bloßes Ideales, teils als etwas Reales durch physische Kraft; der Grund ist angezeigt: Ersteres ists vom Ich aus als Intelligenz ange- sehen, letzteres ist es, wenn es bezogen wird auf den Effekt in der Sinnenwelt. Wir hätten also in der realen Reihe schon zweierlei, die physische Kraft und das Gefühl, das dadurch im Ich selbst hervorgebracht wird.

Die Hauptsynthesis A bestand in der Vereinigung des Idealen und des Realen. Das nächste Reale wäre jetzt die physische Kraft des Ichs selbst. Die gegenwärtige Aufgabe wäre: den bloßen Zweckbegriff und die reale Kraft zu vereinigen. Wir sagten: Du siehst das durch dich Hervorgebrachte in der Sinnenwelt infolge eines anderen. 

Ich kann in gewisser Rücksicht sagen: Es gibt kein Bewusstsein einer Sinnlichkeit, eines sinnlichen Produkts, sondern ein höheres Bewusstsein, welches sich nur darein verwandelt. Gibts denn ein Bewusstsein z. B. meines Schreibens, Arbeitens an einem Block? Auch nicht, keinesweges, dies ist durch ein höheres Bewusstsein, das Entwerfen eines Zweckbegriffs bedingt. Also hier ist ein Mittelglied eingeschoben worden, nämlich zwischen den Zweckbegriff und das [dadurch] Bewirkte: die durchs reine Denken bestimmte sinnliche Kraft, aber wir gehen nicht unmittelbar darauf. 

Das Resultat des Vorigen ist: Ich schaue das Bestimmen meiner physischen Kraft im Denken des Objekts un- mittelbar an, aber diese physische Kraft ist die meine lediglich, in wiefern auch sie durch den Zweckbegriff er- blickt wird. Es ist demnach die Hauptfrage: Wie wird das bloße reine Denken versinnlicht zur Ansicht einer sinnlichen Kraft? Dies ist die erste Versinnlichung.

Es folgt also

Die Lehre von der produktiven Einbildungskraft.


Um uns den Weg zu bahnen, untersuchen wir erst etwas anderes. Wir orientieren uns eigentlich. Das gegen-wärtig überlegte Denken war das reale Denken, es ist vermittelt durch das Denken der Bestimmtheit, einer verursachenden sachlichen //200// Kraft. Diese ist in gewisser Beziehung auch ideal. Es ist demnach hier Synthesis des Idealen und Realen.

(Die Begriffe Ideales uns Reales gelten nur relativ, in den Zwischenräumen liegen Mittelglieder, die ideal und real sind, je nachdem man sie vorwärts oder rückwärts bezieht.)

Diese Synthesis und ihre Bestimmtheit ist wieder durch eine andere Synthesis vermittelt. Wir sehen, dass wir anstatt des obigen Plans, ein einzelnes Denken aneinander zu knüpfen, lauter Synthesen aufstellen. Die ver- mittelnde Synthesis nun, durch welche  hindurch die Bestimmtheit der physischen Kraft bestimmt würde, wäre das Entwerfen des Zweckbegriffs, in der folgendes liegt: das Entwerfende, Tätige, dem - inwiefern es Intelligenz ist - entgegensteht die tätig sinnliche Kraft; zweitens das Bestimmte, was den wirklichen Zweckbegriff hat. 

Beides ist nur durcheinander möglich, dies ist nun selbst in gewisser Rücksicht im Verhältnisse der Idealität und Realität; nur betrachte man diese Objektivität noch nicht sinnlich, es ist bloß von Anhalten und Bestehen des Denkens die Rede, beides ist offenbar beieinander. Im Entwerfen ist die Aussicht auf den künftigen Zweckbegriff, im Realen ist der aufgefasste bestimmte Begriff vom Zwecke. (Wir können sagen: Das Ich entsteht für sich durch eine Synthesis seiner selbst als ideal und real, als bloß denkend und [bloß] fühlend.
Nota.
 - Dass die Wissenschaftslehre den Gang des lebendigen Vorstellens nachzeichne und nicht das Verhältnis definierter Begriffe zueinander, ist keine formale Unterscheidung. Der Begriff ist eingegrenzt, er endet, wo der Nachbarbegriff (den man insofern als seinen Gegen-Satz ansehen kann) anfängt. Im  lebendigen Vorstellen bleiben die Begriffe gleichsam als bloße Markierungen am Wegrand liegen; tatsächlich verweist jeder (reale) Fort-Schritt im Denken schon auf den möglichen nächsten und, wenn man (ideal) rückwärts blickt, noch auf den vorangegangenen. - Es ist ja immer nur ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten, und wo immer man sich befindet, ist - relativ; wie die Unterscheidung von Real und Ideal.
JE 

Was auf der einen Seite liegt: β und γ, nennen wir das ideale Ich, und untersuchen diese Synthesis. Die Haupt- sache beruht darauf, zu lernen, wie das Ich sich bestimmend als zu einem Zweckbegriff finde [sic]. - Zuvörderst ist bekannt, dass auf diesem alles Bewusstsein beruhe. Wie setze ich also den Zweckbegriff selbst? Nur inwiefern ich ihn entwerfe und mir dabei zusehe. Ich bin nur tätig und bin mir nur meiner als Tätigkeit bewusst. 

Wie kannst du wissen, dass du denkst? Ich weiß nur von meinem Tun, nur vom Denken, in wiefern ich mein Tun erblicke. Der Zweckbegriff ist nichts Gegebenes, sondern er ist mit meinem Wissen durch mich selbst hervorge-//201//bracht. Dieses mein Hervorbringen ist das eigentliche Objekt meines Bewusstseins. So gehen wir abermals höher. Ich sehe meinen Zweckbegriff nur, in sofern ich meine Tätigkeit in Entwerfung desselben erblicke. 

Wie ist denn also nur dies möglich? Das Sinnliche, von dem wir der Bequemlichkeit wegen aufsteigen wollen, muss etwas Abgeleitetes sein, das selbst noch nicht abgeleitet ist, aber wohl im gemeinen Bewusstsein vorkommt. Wie ist denn nun Bewegung in der Körperwelt möglich? Diese zu denken ist unmöglich. 

Zwischen jeden möglichen zwei Punkten in der Linie, zwischen denen sich ein Körper bewegen soll, zwischen X und Y, liegen unendlich viele Punkte, denn die Linie zwischen X und Y ist zu teilen bis ins Unendliche. Die Kugel muss daher, ehe sie aus X und Y kommt, durch unendlich viele Punkte hindurch gehen; so eine Bewegung ist nie vollendet, mithin kommt der Körper nie an seine Stelle, so nahe man die Punkte sich auch denke. 

Dieser Beweis ist streng richtig, aber jedes Kind bringt uns Bewegung hervor. Das kann sein, und ersteres kann doch bestehen. Wir mögen wohl zum Begriff der Bewegung auf einem anderen Weg kommen als durchs Denken, denn man denkt darin nicht Punkte, sondern Linie. Woher entsteht nun eine Möglichkeit, die Punkte nicht, sondern gleich eine Linie zu denken? Der ganze Grund, worauf sich die Behauptung der [Un-] Möglichkeit stützt, fällt weg.

Hinterher kann nun wohl die Linie ins Unendliche geteilt werden. Die ganze Sache ist, dass wir die unendlichen Punkte in einem einzigen synthetischen Akt gefasst haben. Alle unsere Vorstellungen sind Vorstellungen von Verehältnissen, aber zuletz müssen wir doch auf etwas zu Grunde Liegendes kommen. Dies ist aber nicht an dem, wir kommen auf etwas Ursprüngliches, was unendlich auffasst. Also die Intelligenz hat das Vermögen, entgegengesetzte Dinge in einem Akte zu fassen, oder sie hat Einbildungskraft, ursprüngliche Synthesis des Mannigfaltigen.
Nota.
- Das ist eine Variante von Zenons Paradox von Achilles und der Schildkröte. Die Linie wird aber gar nicht gedacht, sondern angeschaut. Gedacht und nachträglich hinzugefügt sind die Punkte. Nur der Mathematiker wählt zuerst Punkte und verbindet sie hinterher durch eine Linie. Der gemeine Verstand ermisst mit den Augen eine Entfernung; um deren Außenstellen als Punkte "wahr" zu nehmen, muss er abstrahieren und reflektieren, und zwar abwechselnd die eine und dann die andere. Die Linie danach aus Punkten zu 'rekonstruieren', ist allerdings ein unendlicher Kraftakt.
Warum dieser umständliche Weg zur Einbildungskraft? Weil sie nicht von vornherein dogmatisch postuliert, sondern die Notwendigkeit ihres Begriffs erst im Verlauf der Darstellung demonstriert werden sollte. Dies ist die Rückseite der genetischen Methode: Es 'zeigt sich' im Vollzug dere Entwicklung, dass gewisse gedankliche Voraussetzungen als von Anfang an unausdrücklich mitgedacht aufgefasst werden müssen.
Wenn so der Begriff der Einbildungskraft gewonnen ist, kann er weiterentwickelt werden.

Das ist übrigens eine Stelle, wo die Transzendentalphilosophie in unmittelbare Konkurrenz zur Wahrneh- mungspyschologie gerät: Wenn sich im wirklichen Bewusstsein keine Leistungen dieser Art beobachten ließen, möchte der Begriff der Einbildungkraft gedanklich noch so notwendig sein: Für die Philosophie wäre er ver-loren. Gottlob hat die Gestaltpsychologie ein Fülle solcher Leistungen zu Tage gefördert.
 JE 

Das Aufgefasste ist nur entgegengesetzt, man kann nur mit dem Verstande unendlich teilen, aber es wird //202// doch aufgefasst; in sofern ist die Einbildungskraft produktiv.

Aber hauptsächlich: Wie wird durch dieses Auffassen der Einbildungskraft Bewegung möglich? Der Akt der Einbildungskraft ist Zusammenfassen des Mannigfaltigen, hier: ein sukzessives Anreihen unendlicher Punkte, die erst hinterher durch Analyse unterschieden werden. Damit wird ein Einfaches, eine Kraft vereinigt, die eben deswegen bloß gedacht wird, bloßes νοουμενον ist, diese Kraft wird durch die ganze Reihe hindurchgeschoben als Bewegung, und diese Bewegung ist stetig.

Bewegung ist Tat, Lebendigkeit; um diese ist uns hier zu tun. Bewegung in diesem Sinne entstand dadurch, dass das Einfache durch ein Forstschreitendes hindurchgeschoben wurde. Wie beerke ich mich denn als das im Bestimmen Tätige? Keine Bestimmtheit ohne Bestimmbarkeit. Was ist denn nun das bloß Bestimmbare, das erste Bestimmbare, von welchem erst das Bewusstsein meines Bestimmens ausgeht? Es ist ein unendlich Teilbares der Handlungsmöglichkeit, so gewiss es die Handlungsweise eines freien Wesens enthaltens soll; dieses wird aufgefasst durch die soeben beschriebene Einbildungskraft, durch das Vermögen, nur Entgegengesetztes aufzufasssen.

Hier ist nicht die Rede von einem Entgegengesetzten im Raume und der Zeitmomente, sondern dem Entgegengesetzten des reinen Denkens, der reinen Handlungsweisen; die Synthesis im Raume ist bloß versinnlichtes reines Denken. Hier vereinigt die Einbildungskraft absolut das ins Unendliche Teilbare der Handlungsmög- lichkeiten. Sie ist das Vermögen, das Bestimmbare zu fassen, welches das Denken nicht kann, weil es diskursiv ist; aber es gibt ein besonderes Vermögen, das Entgegengesetzte zu fassen, die Einbildungkraft.
Nota.
- 'Man kann nur mit dem Verstande unendlich teilen' = Man kann mit dem Verstande nur unendlich teilen (aber nicht vereinigen).
- Der Verstand unterscheidet. Gedächtnis ist seine Bedingung. Zwei Entgegengesetzte zugleich auffassen ist Einbildungskraft. Landläufig heißt diese Fähigkeit Humor.
(Zwei Unterschiedene werden, indem ich auf beide zugleich reflektiere, einander entgegengesetzt. An sich sind sie weder dieses noch jenes, sondern gar nichts.) 
- Alles, was ein Mensch vermag, ist sein Vermögen. Sein Vermögen ist alles, was er vermag. 'Es gibt ein beson- deres Vermögen'? Unterschieden - als Mannigfaltige aufgefasst - werden sie erst, indem ich auf das reflektiere, was sie vermögen. 'Es gibt' nicht mehrere, sondern sie können so gedacht werden.
Das war immer Fichtes Auf- fassung, im Unterschied zu Kant. Die Formulierung an dieser Stelle ist eine Flüchtigkeit.
JE
 

Die Vermögen  des Ich müssen selbst deduziert werden; so muss hier bewiesen werden, dass Einbildungskraft ist. Dies ist hier deduziert, weil kein Bewusstsein und kein Ich [ist,] wenn keine Übergehen vom Bestimmbaren aus ist, wenn nicht ein Bestimmbares für uns ist. Dass es eine Einbildungskraft gebe, ist dadurch notwendig.

Ihr entgegengesetzt ist das Fassen des Bestimmten, das Denken, beides ist nicht ohne ein anderes, und beides sind nur verschiedene Ansichten meines ganzen Vermögens. Dies ist dasselbe viel //203// tiefer gefasst als: keine Anschauung ohne Begriff und kein Begriff ohne Anschauung. 

Dann ist anzumerken: Das Bestmmbare ist nicht etwa vor der Einbildungkraft voraus, sondern das Bestimm- bare entsteht eben durch die Einbildungskraft und bloß durch sie. Von der höchsten Synthesis aus ist zu sagen: Ich schaue mich an als einbildend, und dadurch schaue ich ein Bestimmbares [an]. Insofern ist die Einbildungskraft absolut produzierend in Rücksicht des Stoffs, so wie überhaupt das Ich produzierend ist; und endlich: Das Objekt der Einbildungskraft ist das Bestimmbare, dasjenige, das alle Tätigkeit im Bestimmen, die doch dem Ich allein zugeschrieben wird, bedingt.
Nota.
- Das, was 'vorliegt', ist lediglich unbestimmt; nicht einmal bestimmbar, das wird es nur die Begegnung mit einem schlechthin tätigsein-Wollenden: als bestimmbar bestimmt, Stoff. So wie das Ich sich mit seinem allerersten Bestimmungsakt erst als solches 'setzt': in Reflexion auf das aus dem Widerstreben des Gegenstands erwachsende Gefühl.
Festzuhalten die Unterscheidung von einbilden = das Bestimmbare als solches setzen, und denken = das Bestimmte auffassen. Fichte hat eine eigene Terminologie nicht ausbilden wollen, aber an gewissen Stellen erläutert die Wortwahl einen Gedanken, der anderswo undeutlich bleibt.
JE
 
Wo fange ich an und wo mein Machen? Ich finde mich nur als das Bestimmte. Dieses setzt ein Bestimmbares voraus, das uns die Einbildungskraft liefert. Mein Machen setzt immer diese und ihr Produkt vorheraus [sic], und daher kommts, dass uns immer etwas als gegeben erscheint, daher die Objektivität der Welt. So erscheint und die Einbildungskraft notwendig als ein Gegebenes. Das Objekt der Einbildngskraft scheint uns daher teilbar ins Unendliche.
 
Diese Teilbarkeit ruht nicht als immanente Eigenschaft in dem Bestimmbaren als an sich [sic], denn dieses ist meine Einbildungskraft selbst, welche bloß zusammenfasst. Es heißt also bloß: Das durch die Einbildungskraft Gelieferte wird hinterher geteilt durch die Urteilskraft; wenigstens wird sie [= die Teilung] gesetzt als vorzunehmend. Eigentlich ist also eine Wechselwirkung zwischen Einbildungskraft und Urteilskraft; beide sind nur durch einander zu beschreiben.

Man könnte daher sagen: Die Einbildungskraft ist das Vermögen absoluter Ganzen [sic], die Urteilskraft ist das Vermögen des Einfachen, beides steht in Wechselwirkung. Kein Einfaches ohne Ganzes, kein Ganzes ohne unendliches Einfache [sic]. Man erinnere sich an den alten Sorites. Wenn man sagte: Die Einbildungskraft fasst zusammen ein unendlich Teilbares, so heißt das: teilbar für die Urteilskraft. Es heißt also: Für den gesamten Geist ist dasselbe ein Ganzes; eins, was für denselben Geist auch bloße Sammlung des Teilbaren ins Unendliche ist.

Nota. 
Da ist zuerst das vage, verschwommene Bild, das als solches nicht aufzufassen ist, sondern zu diesem Behuf  'bestimmt' werden muss: gezeichnet, festgestellt, verdeutlicht - das heißt in sich unterschieden werden durch Entgegensetzungen. Fassen wir es als zwei 'Schritte' auf - nur der Verdeutlichuung halber, denn es ist nur einer -, dann schreibe ich den 'ersten' der Einbildung zu, den 'zweitem' dem Urteilen; faktisch kann ich den einen nicht ohne den andern tun. Es ist die Reflexion - das Beurteilen des Urteilens -, das die zwei 'Schritte' unterscheidet und auf zwei verschiedene 'Vermögen' schließt.
Oder anders: Am Anfang steht ein Quale; seine Qualifizierungen kommen danach - als Unterscheidungen.
JE
 

Der Teilung der Urteilskraft wird man sich nie bewusst; muss also nicht urteilen, wenn sich eine Eigensschaft findet, die nicht von einer bewussten Tat abhängt, so muss man nicht //204// sagen, dass es an sich selbst sei und von mir unabhängig. 

(Der Haupteinwurf ist der: Wenn die Natur [euer] eigen Produkt ist, wie könnt ihr noch von der Natur lernen? Wenn es euer Produkt ist, wie ist Naturforschung möglich? Aber dieses Lernen ist nichts anderes als lernen unserer selbst; analysieren durch die Urteilskraft, was durch die Einbildungskraft gesetzt ist.)

Nota.
- Das ist einer der vielen Kernsätze der Wissenschaftslehre: Auch die strengste Naturwissenschaft beschäftigt ich nicht mit den Dingen, sondern mit unseren Vorstellungen von den Dingen.
JE 

Wie ist Bewegung möglich? Nur dass die Linie konstruiert wird, so Bewusstsein der Tätigkeit, dass das Bestimmte aufgefasst wird als Masse, als Ganzes [sic]. Bewegung ist dadurch noch nicht erklärt, ich sehe noch nicht, was durch die Linie sich durchschiebt, so auch nicht das Bewusstsein, da man das selbsttätige Agile noch nicht sieht. Mit diesem Bestimmbaren wird das Ich vereinigt und angesehen als sein Vermittelndes, das bestimmende Ich.

Das bestimmende Ich ist etwas Einfaches, Absolutes, durchs bloße Denken Produziertes, ein Noumen, darin wird ja nicht gedacht ein sich wirklich bestimmendes Ich, da bloß die Form gedacht wird, das bloße Vermögen. Dies ist ein sonderbarer Begriff, da sich nicht verstehen lässt, was ein bloßes Vermögen sein könnte, und doch ists im Bewusstsein gedacht.

Wenn ein Vermögen gedacht wird, wird die bloße Form gedacht, nicht aber ein bestimmtes Handeln dieser Art. Es ist wie mit dem Denken des unendlichen Raumes. Hierbei ist die Schwierigkeit die: Wie soll ich zur Erkenntnis der Form kommen, wenn ich sie nicht in etwas Bestimmten schon realisiert gefunden habe? (Gewöhnlich hebt man von bloßer Abstraktion an in der gewöhnlichen Formularphilosophie.)

Wie ist Abstraktion möglich ohne vorausgegangenes Konkrete [sic]? Dies wird angewandt aufs Selbstbestimmen - gerade dadurch ists möglich, dass die Selbstbestimmung durch die das unendliche Mannigfaltige auffassende Einbildungskraft hindurch erblickt wird, welche hier die Vermittelnde ist. So werfe ich beim Linienziehen die Linie durch die unendlichen Punkte hindurch.

Wies uns zumute ist wenn wit zweifeln oder wählen, ist jedem beskannt. Also der Begriff von dem Vermögen zu wollen liegt drin, es wird aber nicht gewollt. Aber wie wird denn nun ein Begriff dieser Art möglich? Dadurch, dass man //205// sich in der Deliberation nicht auf eins einschränkt. Dies muss man nur transzendental verstehen, die Vorstellung soll nicht als vorausgesetzt angenommen werden.

Es ist allenthalben in der ganzen Sphäre der Einbildungskraft läuft ein quasi Bestimmen [sic], das immer von einem zum andern übergeht, es ist eine Bestimmtheit und Unbestimmtheit vereinigt. Hier sehen wir, wie der Begriff der Bestimmbarkeit überhaupt erst entsteht.
Nota.
- Es geht nicht um Begriffe und deren bestmögliche Definition, sondern um das materiale Vorstellen selbst. Dem Begriff nach kommt die Unbestimmtheit vor der Bestimmung. Woher die Bestimmung aber kommt, wird gar nicht gefragt. Doch die Intelligenz, die in einer Reihe vernünftiger Wesen zur Welt gekommen ist, trifft zuerst allenthalben auf schon (von Andern) Bestimmtes. Unbestimmtheit ist das, was sie zuerst nicht kennt, darum erscheint sie ihr, wo sie ihr begegnet, von vorherein als zu überwindender Mangel: als ein zu-Bestimmendes. Als was sie zu bestimmen ist, weiß sie nicht, aber dass. Das Was schwebt ihr als Möglichkeit vor. Es erstaunt, dass F. von Schweben an dieser Stelle nicht spricht.
JE

Anmerkung. Nur durch dieses gegenwärtig geschilderte Denken, durch das sich das Ich ein Vermögen zuschreibt, findet es sich als wirkliches Ich, abgesondert von der Welt. Auf das Bestimmtsein wird das im Ersten entstandene Ich übertragen [sic]. Es ist alles Erscheinung, auch ich mir selbst, welches schon Kant gesagt hat; aber woher diese Erscheinung? Diese mache ich. Was bin ich? Ein Geist, - Seele und dergleichen mehr. -

Aber ist letzte Ansicht erstes: auch Erscheinung? Auch dies ist Erscheinung, nämlich die eines Vermögens, vide Reinholds Vorstellungsvermögen pp; aber hier sehen wir, wie ein Vermögen überhaupt entsteht, es ist ein sinnlicher Begriff, erzeugt durch Versinnlichung. Im ganzen Besusstsein komme ich nur immer vor als Vermögen.

Wir wollen das Bewusstsein der Agilität des Ich ableiten, nicht als etwas, das geschehen ist, sondern als etwas unmittelbar Geschehendes. Oben argumentierten wir so: Ich finde meine eigene physische Kraft als bewegt; durch sie hindurch erblicke ich ein Objekt als Resultat meiner Kausalität, aber wie wird die physische Kraft die meinige? Ich beziehe diese Bestimmtheit derselben auf mein Selbstbestimmen, welches ich voraussetze als Erklärungsgrund. Demnach entsteht die höhere Frage: Wie werde ich mir dieses meines Bestimmens bewusst? 

Dies haben wir zuletzt erörtert.
Nota.
- Ich erscheine mir in meinem Tun: in dem, was actu geschieht, als das Tätige. Erscheinung wessen? Eines Vermögens, das ich 'nachträglich voraussetzen' muss, und nur als solches kommt ein Ich im Bewusstsein vor.
JE

Anmerkung. (Zur Deutlichkeit) Schon oben wurde gesagt, es sei in er gewöhnlichen kritischen Philosophie eine gewaltige Lücke, dass man zeigte, wie die Zeitmomente aneinandergereiht würden und dadurch eine Dauer entstünde, welches doch nicht sein kann; wenn im einzelnene Momente keine Füllung ist, ist im Ganzen auch keine. Es muss also bewiesen werden, dass //206// jeder einzelne Moment eine Dauer hat. Diese entsteht aus dem Schweben der Einbildungskraft zwischen Entgegengesetzten.

Darin besteht die Einbildungskraft, dass ich unendlich Teilbares fasse, erst in diesem Zusammenfassen entsteht der Moment. Nach dem Obigen wird nach der Kategorie der Kausalität durch den Zweckbegriff hindurch das Objekt erblickt. Dies Verhältnis ist ganz gleichzeitig, da es unmittelbar verknüpft ist, zwischen Ursache und Wirkung liegt keine Zeit dazwischen. Woher nun Zeitdauer? Oder entsteht sie etwa dadurch, dass mehrere Wirkungen sich aneinander anschließen? Aus nichts wird nichts. und wenn eine Wirkung keine [Zeit] einnimmt, nehmen tausend auch keine ein.

Der Zweckbegriff selbst und sein Entwerfen hat eine Dauer, und erst durch diese entsteht durch sinnliche Vermittelung ein sukzessives Handeln, allmähliches Entstehen des Produkts unseres Handelns. Bei Kant ist dies nicht klar, vide Jacobi, Über Idealismus und Realismus, welches fleißig nachzulesen ist.
Nota.
- Wenn die Sukzession durch ein Nacheinander von zweckhaften Handlungen entsteht, so besteht der einzelne Zeitmoment in einer zweckhaften Handlung. Wenn die Handlung ein Moment ist, hat sie keine Dauer, und viele Handlungen ebensowenig. Dauer entsteht durch das Entwerfen des Zweckbegriffs; es besteht im Auswählen aus einer Mannigfaltigkeit als gegeben angenommener Zwecke. Eine Dauer entstünde lediglich durch das Deliberieren im Moment der Wahl.
JE

Dieser Akt ist das Denken einer Substanz (nicht Substanzialität): Es gehört dazu teils ein Noumen, das lediglich Gedachte (das, was man sich denkt), wo das Denken nicht auf ein Gegebenes geht; dieses ist hier das Bestimmende Ich der bloßen Form nach; teils eine Versinnlichung desselben durch Vereinigung des lediglich Bestimmbaren mit ihm durch die Einbildungskraft. 

In der Substanz liegt der Charakter des Bestehenden, Festen, Fixierten, diese Absolutheit kommt von dem diesfallsigen Noumen; teils liegt drin bloße Bestimmbarkeit, alles zu werden, was in ihrem Begriffe liegt (das Bestimmte, was sie ist, ist Akzidens); endlich liegt drin etwas die Zeit Füllendes, eine Zeitdauer, welche aus der Vereinigung des Einfachen mit dem Mannigfaltigen, welches durch die Einbildungskraft nur in einer gewissen Sukzession aufgefassst werden kann, entsteht. Dieses mannigfaltige Bestimmbare gibt, wenn eins allein gedacht wird, die Akzidens [sic].
Nota.
In dem, was als Substanz gedacht wird, 'liegt drin' - teils, teils - eine Mannigfaltigkeit von Akzidenzen, begrifflichen Bestimmungen, denn Substanz ist Wechsel, genauer: das, was als das Wechselnde vorgestellt wird. Oder umgekehrt: Die Mannigfaltigkeit, die von der Einbildungkraft zur Einheit gefasst wurde, weist, sobald sie als Substanz gedacht wird, ihrerseits einemannigfaltige Bestimmbarkeit auf: teils teils. 
JE
4.

Man versetze sich auf den Standpunkt dieser Untersuchung: Wir schwebten erst über der Synthesis A, ließen uns herunter //207// ins einzelne diskrete Denken, das in der Synthesis liegt und erst in ein gewisses Verhältnis gesetzt wird; der Standpunkt wird geändert, wir setzen uns wieder über die Synthesis. 

In A setzt das Ich sich selbst als denkend auf die beschriebene Weise, wir haben immer nur auf das Vermittelnde gedacht. Nur sagten wir voraus, durch dieses letztere wird das Denken meiner als Bestimmten [sic] objektiv, als Bestimmenden wieder subjektiv vereinigt mit der Hauptsynthesis. Das Abgesonderte wollen wir wieder in seiner Vereinigung ansehen, wir reflektieren auf die Synthesis, und es erscheint ein bloß Gedachtes.

(Es geht den Menschen schwer ein, die Idealität der Zeit zu begreifen, in der zuerst absolvierten Betrachtung sind wir erst auf dem gemeinen Gesichtspunkte bestanden. Da haben wir von der Bestimmtheit die Kraft als etwas Absolutes betrachtet [sic], jetzt solls nicht mehr so sein, wir erinnern uns daran, dass das erst Vermittelte Bestimmung unseres Selbst ist durch die Grundsynthesis, über die wir uns stellen [sic].) -

Durch das Mannigfaltige der Einbildungskraft sehe ich mein Bestimmen (das Noumen); woher nun dieses Bestimmen, das ich da hindurchsehen soll? Gegeben kanns nicht sein, ich selbst bestimme mich ja selbst und bin mir desselben als mein Bestimmen unmittelbar bewusst. Dieses Bewusstsein ist ja aber die Hauptsynthesis. Der Hauptgedanke ist: Das ist das Gesetz unseres Denkens, dass wir dem Mittelpunkte manches anknüpfen. 

Das jetzt Angeknüpfte ist ja nicht der Mittelpunkt, sondern etwas durch die Kategorien der Substantialität und Kausalität Angeknüpftes. Man beschreibe erst den Mittelpunkt; dieser ist das sich selbst Bestimmende, unmittelbar - nicht durch etwas anderes hindurch - Gesehene. Das Bewusstsein ist gleichsam der Zirkel, das Intelligible der Mittelpunkt; die Peripherie ist nach notwendigen Gesetzen des Denkens an den Mittelpunkt angeknüpft, sie enthält alles Empirische, Sinnliche. 

Wir haben uns jetzt in die Peripherie verloren, nun kehren wir wieder in das Zentrum zurück und zeigen, wie eben solche und keine anderen Radien gezogen werden müssen. In diesem Mittelpunkte ist das Bestimmen durch bloßes Denklen mit dem Auffassen des Unendlichen durch die Einbildungkraft unzertrennlich vereinigt und fällt in einen Akt des Bewusstseins.
[Nota. 
- Ich bin inzwischen fast sicher, dass Krause dem Rat des Vortragenden nicht gefolgt ist und versucht hat, den Wortlaut des Vortrages mitzuschreiben. Dabei gehen unvermeidlich manche Übergänge verloren, doch weil der Prototkollant mehr auf den Wortlaut als auf den Sinn geachtet hat, kann er sie nachträglich nicht ergänzen.
JE]
1.
              
Was ist dieses Bestimmte selbst? Willkürlich als bloßer Akt angesehen. Hier mangelt die Sprache. Sagt man: Es ist ein Beschränken unserer selbst - id est unserer Reflexion von dem Mannigfaltigen auf ein einziges Bestimmte [sic] -, so habe ich ja das Produkt der Einbildungskraft mit in der Definition; welches auch nicht wegzuschaffen ist. Wir können unser Bestimmen nur denken als ein Übergehen oder ein Schweben zwischen mehreren Entgegegesetzten. Nun sollen wir aber diese Tätigkeit ohne Rücksicht auf das beide Entgegengesetzte, zwischern dem [sic] sie schwebt, beschreiben. Um dies zu tun, müssten wir ganz andere Denkgesetze haben, oder unser Satz müsste falsch sein.

Es ist also dieses nicht zu leisten. Wir müssen hier verfahren, wie wir mit jeder Idee verfahren, wir beschreiben nämlich bloß das Gesetz, nach dem dieser Begriff zustande kommen müsste. Wir sagen: Sollte die bloße Be- stimmung gedacht werden, so müsste das Bestimmbare weggedacht werden. Dies ist nicht möglich, denn dann müsste die bloße Ichheit oder das sich-selbst-Fassen und -Ergreifen gedacht werden, und schon in den letzten Ausdrücken ist schon [sic] sinnliche Unterscheidung des Ergreifenden von dem Ergriffenen. So spricht man z. B. oft von einem unendlichen Raume, da dieser doch undenkbar ist, und man sich bloß die Regel denkt, nach der er beschrieben werden müsste, nämlich als das beständigwährende Fortziehen.

Dieses sich-Bestimmen ist der absolute Anfang alles Lebens und Bewusstseins, eben deshalb ists unbegreiflich, weil unser Bewusstsein immer etwas voraussetzt.

Dies erhebt uns auf den Gesichtspunkt A, den Grund des Zusammenhanges haben wir schon eingesehen. Aber zu einem Fortfließen wird es nur durch die Einbildungskraft, eben indem sie dieses Noumen vereinigt mit dem und nicht mit dem, durch das ständige Hindurchschieben. 

Man erinnere sich an den Begriff des Bewegens, es ist das Entfernteste, der letzte Ausdruck des Produzierens. Die Einbildungkraft und ihre ganze Funktion ist bloß die Möglichkeit, das Handeln des Ich in seinem Bestim- men anzusehen. Im Denken ist kein Fließen, da ist lauter Stehen; bloß in der Einbildungskraft ist die Basis alles Bewusstseins, [sie] soll das //209// Bewusstsein dieses Fließens sein. Der Anfang des Bewusstseins muss also bloß durch Einbildungskraft geschehen.

Man kann jetzt sagen: Das sich Setzen des Ich besteht in Vereinigung eines Denkens und eines Anschauens. (Die Synthesis A ist bloß Erzeuger des Selbstbewusstseins.) Dieses entsteht dadurch, dass Einbildungkraft und Denken vereinigt werden; lediglich in dieser Vereinigung wird das Ich erzeugt. Denken und Einbildungskrft kann nicht abgesondert sein, weil sonst kein Ich wäre.
Nota.
 - Das Denken steht: natürlich, denn es geschieht in Begriffen, und in denen ist Tätigkeit als Ruhe gedacht.
Doch mein Vermögen ist eins. Denken und einbilden, denken und anschauen werden nur je nach ihren Leistungen unterschieden. Die Rekonstruktion durch den Transzendentalphilosophen geht umgekehrt vor.
JE
2. Form des synthetischen Denkens A

Das Mannigfaltige wurde von uns angesehen als im Verhältnisse der Dependenz; erst durch den Zweckbegriff hindurch sehen wir das Objekt; bloß dadurch, dass der Zweckbegriff ein gefärbtes gespaltenes Glas ist. So bei der Kategorie der Substanz. In Rücksicht des letztern bloß mit dem Unterschiede, dass das Bestimmte durch diese Synthesis nicht erst wurde, wie bei der Kausalität, sondern dass ein reines Denken, wodurch das Bestimmen erst entstanden wäre, vorausgesetzt wurde. -

Bisher war nur etwas das Vermittelnde, ein anderes in derselben Rücksicht das Vermittelte. Hier ists anders, das Mannigfaltige wird gedacht neben einander, ohne Dependenz in Wechselwirkung, aber es liegt nicht zerstückt als etwas, das einander fremd sei, sondern beide greifen ineinander ein und sind gleichsam vermittelt, aber nur so, dass beide Prädikate beiden zukommen [und] dass beide durch einander hindurch gesehen werden. Der ursprüngliche Akt der gegenwärtigen Synthesis ist gleichsdam ein doppelter, wie es mit dem ursprtünglichen Akt des Ich, das immer ein doppeltes ist, sich nicht anders verhalten konnte.

Erläuterung. Ich stehe bei einer Bestimmung des Gemüts, in welcher das ganze Bewusstsein seine[m] Grundfaden und [seinen ] Grundbestimmungen nach enthalten ist. Dies ist der Wissenschaftslehre eigentümlich, in anderen Philosophien liegt ein einfaches Denken in bloßer mechanischer Reihe, nicht aber in organischer Reihe. Ebenso verhält sich Fichtes Physik zu den gewöhnlichen. In letzteren herrscht überall Mechanismus, in Fichtes liegt keine einfache Kraft A, sondern jedes A ist eine Sammlung mehrerer Kräfte in Wechselwirkung.

 So ist die //210// Wissenschaftslehre organisch und diskursiv. Sie enthält lauter Synthesen. Gegenwärtige ist die Grundsynthesis, in der erst das diskursive Denken entsteht. Der Baum besteht z. B. in einer organischen Kraft, nicht in Blüte, Rinde, Stamm pp.; so hier mit dem Bewusstsein. Das Denken ist in der Zeit, die Ursache und Wirkung ins Unendliche ist nicht das Innere des Bewusstseins; es sind gleichsam Blätter, Blüten, Früchte. 

Das Innere ist urprünglich eins. In dieser Synthesis sind zu finden zwei Reihen; von A, Bestimmen meiner selbst, geht sie aus, von einer Seite entsteht Bestimmtsein, dadurch wird ein Produkt in der Sinnenwelt erblickt; von der anderen Seite ist es auch ein Selbstbestimmen, welches als Agilität erblickt [wird], hindurchgeblickt durch die Mannigfaltigkeit dessen, zu dem ich mich bestimmen könnte.

Beide Ansichten vereinigen sich in einem Moment: Hier ist keine Dependenz; Vermittlung wohl, aber nicht so, dass nur eins durchs andere erblickt würde und das erste nicht durch das zweite; sondern durch Wechselwir- kung. Hier ist ein A, wodurch B, und B auch in derselben Rücksicht wieder A ist und durch einander hindurch- gesehen wird. 

So verhält sichs, es ist zuvörderst ein reines Denken, das sich bestimmt. Dieses wird in der Synthesis durch die Einbildungskraft hindurchgesehen und selbst versinnlicht. In dieser Versinnlichung ird der bloße reine Zweck- begriff Bestimmtheit einer sinnlichen Kraft, das dadurch Hervorgebrachte selbst ein sinnliche Objekt.

Hier müssten wir im Allgemeinen zuvörderst ansehen, wie die Intelligenz dazu kommt, sich sinnliche Kraft, id est einen Leib zuzuschreiben und eine Kraftäußerung desselben. Letztere ist gar nichts anderes als das reine Denken, lediglich durch die Einbildungskraft hindurch erblickt. Mein Denken, dass die Hand sich bewegt, und die Bewegung derselben ist eins, aber Denken ists, wenn ich mir desselben unmittelbar bewusst werde; Bewegung, wenn ichs durch die Einbildungkraft hindurchgesehen betrachte. An diese Versinnlichung schließt sich die ganze Welt an, hier [in diesem Vortrag] geht die Versinnlichung bloß bis zum Bestimmen.

Dogmatiker, die doch moralische und religiöse Gesinnung haben, sind genötigt zu sagen: Gott habe die Welt erschaf-//211//en. Gott ist bei ihnen reine Intelligenz. Dessen [sic] Bestimmungen können doch nur in Begriffen bestehen. So verhält sichs hier mit dem Ich, es ist Intelligenz und seine Bestimmungen sind bloße reine Begrif- fe. Fürs Ich ist auch eine materielle Welt da, es müssten sonach diese reinen Bewgriffe sich verwandeln in eine materielle Welt. Aber nur in eine materielle Welt nur für sie [für die Intelligenz], bei Gott aber auch für eine andere, in eine selbstständige materielle Welt. 

Ersteres muss der transzendentale Idealist erklären. Er muss daher zeigen, wie die reinen Begriffe sich in einer Ansicht in materielle Substanzen verwandeln. Dies ist hier gezeigt bis zur Versinnlichung unserer selbst.
Nota.
 - Aufgabe der dogmatischen Philosophie wäre: darzustellen, wie die materiellen Substanzen sich selber in Begriffe verwandeln; was ihr nicht gelingt, weil die Materie nicht als selber tätig gedacht werden kann (ohne aufzuhören, Materie zu sein). Die endliche Intelligenz ist Agilität schlechthin, es war zu zeigen, wie daraus Begriffe entstehen können; nur daraus.
  JE

Dies war das erste in der Synthesis, dass der bloße reine Begriff versinnlicht wurde, das zweite ist: dass die Einbildungskraft hindurch erblickt wurde durchs reine Denken, und dadurch bestimmt wird. Nun entsteht die Wechselwirkung: Das erste Bestimmbare wird selbst zu einem ganzen Systeme, wird zu einem Leibe; aber in Beziehuung auf das Bestimmte, ohne unser Zutun Vorhandene [wird es] die ganze Welt.

Auf das Bestimmen und das Bestimmte gründet sich die ganze Einteilung des Ich. Das erste Bestimmbare, das in der Substanz liegt, wird, insofern es durch das reine Denken aufgefasst wird, als ein Ganzes [aufgefasst], denn das Denken ist stets ein Ganzes, und erhält, bezogen auf die Duplizität des Bestimmens und Bestimmtseins als Ganzes, doppelte Ansicht: Es ist in Beziehung auf das Bestimmende mein Leib, in Beziehung auf das Bestimmt- sein die ganze Welt.

Also ich=x, ich Seele, ich Leib ist ganz einerlei, es sind bloß doppelte Ansichten; weiter: Ich Leib und Sinnen- welt außer mir ist wieder einerlei und eine besondere Ansicht. Alles in der Wissenschschaftslehre beruht auf Duplizität der Ansicht. Zwischem dem Höchsten, ich=x, und dem Niedrigsten der formlosen Substanz liegen verschiedene Glieder, die in der doppelten Beziehung auf Obiges bald subjektiv, bald objektiv sind; aber ich bin für immer selbst der Gegenstand; ich selbst bin mir unbegreiflich, Subjektobjekt, welches doch ursprünglich als eins gedacht werden soll.
Nota.
- Ich erblicke dieses durch jenes hindurch - das sind keine Begriffe. Dieses und Jenes und Erblicken sind Bilder, man muss sie sich lebhaft vorstellen, sie sind kein begriffenes Guthaben, das man zu Buche schlagen und... jemand anderm zur Prüfung vorlegen kann. Den andern kann man immer nur einladen, es selber zu versuchen; zwingend aus gemeinsamen Prämissen argumentieren kann man hier nicht, es kann sich jeder sträuben, wie er will. Der Form nach ist es mehr Kunst als Wissenschaft. Aber nur der Form nach; der Sache nach ist es jedem zuzumuten, einer besonderen Begabung oder Berufung bedarf es nicht, nur der Absicht.
 JE

Dieses Ich des //212// empirischen Bewusstseins kann gesetzt werden lediglich in der Zeit, dann ists Seele, oder versinnlicht im Raume ists Leib, und derselbe ist wieder nichts anderes als die Welt, alles ist eins und dasselbe, nur in verschiedenen Ansichten.Das reine Denken wird hindurch gesehen durch die Einbildungskraft in der Synthesis A und die Einbildungskraft umgekehrt [hindurch gesehen durch das reine Denken]

Dadurch entstehr Duplizität, und der Begriff der Substantialität wird vollendet, sie wird erst ein geschlossenes Quantum, und ein Akzidens wird auf die Substanz bezogen, durch sie hinduch erblickt. Es wird ein Akzidens darauf bezogen in Hinblick auf das Bestimmende - der unter allen möglichen Akten ausgewählte einzige Akt; in Beziehung aufs Bestimmte die unter allen übrigen ausgewählte Materie. 

Die Substanz bin, wenn das Bestimmende erblickt wird, ich, wie ich mir auf dem Gesichspunkte des gemeinen Bewusstseins erscheine, da bin ich Leib; das Bestimmte in ersterer Rücksicht ist mein Akt, das Bewegen meiner Hand z. B.; dasselbe Akzidens ist, auf die Welt bezogen, das in der Sinnenwelt durchs Bestimmende Bewirkte, z. B. der gechriebene Buchstabe.

Anmerkung. Substantialität wird nicht ohne Kausalität gedacht und Kausalität nicht ohne Substanz. Das Akzidens ist nie etwas anderes als bestimmte Äußerung der inneren Kraft, und die Substanz wäre das wirkende Vermögen, das immer angesehen wird als wirken könnend auf verschiedene Weise. Und umgekehrt, Wirksamkeit lässt sich nicht denken ohne Beziehung auf eine Kraft, und diese ist gleich dem Zentrum des Innern der Substanz selbst.

Die Synthesis beider Kategorien ist die Kategorie der Wechselwirkung, die sich auf die Notwendigkeit gründet, das äußere [Vermögen] vom reinen Vermögen abzuleitren und umgekehrt. Sie ist Kategorien der Kategorien, Substantialität und Kausalität sind koordiniert, aber beide der Wechselwirkung subordiniert.

Alles, was wir denken, sind Verhältnisse. Das sagt gewissermaßen auch Kant, doch ohne weitere Anwendung; die dritte Kategorie sei immer die Vereinigung der beiden ersten der Substantialität und Kau-//213//salität. Dies ist richtig und vortrefflich. Kant wollte allerdings einen reinen Idealismus aufstellen. Aber von dem bloß philosophischen Gesichtspunkte aus, da man über der Substanz schwebt, findet man Wechselwirksamkeit und Substantialität mit Kausalität selbst koordiniert.
Nota. 
Hegel hat in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes Amerika neu entdeckt: Die Substanz müsse 'auch als Subjekt gefasst' werden; doch das hat schon Spinoza nicht anders gehalten. * Dabei lehrt schon der gesunde Menschenverstand: Nur als Subjekt kann eine Substanz überhaupt gedacht werden Die Wissenschaftslehre fügt nun aber hinzu: Das Subjekt ist gar nicht, sondern muss sich als solches immer erst setzen.
*) Ein reiner Objektivismus – Eleaten? – würde sagen: Die Subjekte mögen tun, was sie wollen; die Substanz liegt ihnen doch immer zu Grunde.
Nota II. 
- Es ist nicht überflüssig anzumerken, dass nicht von reellen physikalischen Phänomenen die Rede ist, sondern von den Vorstellungen, die wir ihnen unterlegen.
JE
§ 17 [Zusammenfassung]

Das Ich ist, wie bekannt, das durch sich selbst Tätige und durch diese Tätigkeit auf sich Wollende. Das Ich findet sich heißt offenbar, es findet sich tätig auf sich selbst. Dass das Ich sich wollend findet in dieser Tätigkeit auf sich selbst kommt daher, weil sein ursprünglich nicht weiter abzuleitendes, sondern für alle Erklärung voraus zu setzendes Wesen ein Wollen ist, jedes Objekt der freien Reflexion auf sich selbst sonach sein Wollen werden muss. -

Anmerkung. A. Wollen ist zuvörderst ein selbsttätiges Bestimmen, alles Bestimmen ist durch die Einbildungskraft vermittelt, es ist ein tätiges Bestimmen zu einem Zweckbegriffe. Sonach ist der ganze Begriff des Wollens sinnlich, alles Wollen ist Erscheinung, das reine Wollen wird bloß als Erklärungsgrund vorausgesetzt, es ist in unserer Vorstellung und Sprache nicht zu fassen; = absolute Selbstheit, Autonomie, Freiheit, alles ist gleich unbegreiflich. Die Freiheit lässt sich nur negativ beschreiben, durch: nicht bestimmt zu werden - abermals sinnlich.

Kurz, es ist das, was möglich macht, dass ich mich als selbsttätig, als Ich denken kann. Dieses ist das Materiale in allem Bewusstsein. Um das Formale zu erklären, muss man die Reflexion voraussetzen. Dies ist =X, das Absolute, das nur Grund ist, es liegt in demselben absolutes Subjektives und absolutes Objektives.

Jede Reflexion ist ein sich-Bestimmen, und dieses schaut das Reflektierende unmittelbar an; aber es schaut dasselbe an durch die Einbildungskraft hindurch, sonach als ein bloßes Vermögen der Selbstbestimmung, und durch dieses abstrakte Denken (als Vermögen) entsteht das Ich für sich selbst //214// als etwas, als ein rein Geistiges, lediglich Ideales, und wird seiner Tätigkeit des bloßen Denkens und Wollens als einer solchen sich bewusst. 

Nun ist aber diese Reflexion ein sich-Bestimmen, aber der oben beschriebene Akt der Einbildungskraft ist ein Akt des Ich und wird sonach bestimmt. Demnach wird in demselben ungeteilten Akte das reine Denken durch die Einbildungkraft versinnlicht und das durch die Einbildungskraft Versinnlichte durch das reine Denken bestimmt (Wechselwirkung des Anschauens und Denkens). Durch diese Bestimmung entsteht ein geschlossenes Vermögen des Ich als sinnliche Kraft und eine Bestimmtheit desselben (Begriff der Substantialität). Zu der Bestimmtheit dieser sinnlichen Kraft wird ein Objekt hinzugdacht und durch sie im Denken bestimmt (Begriff der Kausalität).

Populäre Wiederholung 

Das sich Bestimmende, sich selbst zu etwas Bestimmten Machende ist das Ich. 'Das Ich findet sich' heißt daher: Es findet dieses sich-selbst-Bestimmen, denn es ist nicht, wie der Dogmatiker sagt, so, dass die Begriffe in mir als etwas fertiges Erstes lägen. Und 'Dies ist der erste Begriff' heißt selbst: Er wird erzeugt aus einem Mannigfaltigen, welches dargelegt ist. Dass dies sich-Machen-zu-einem-Bestimmten gefunden werde, dazu gehört Vergleichung meines Seins (des Bestimmten) und meines Tuns (des Machens zu diesem Bestimmten).

Aber wie weiß ich, dass ich es tue? Dies dadurch, dass ich unmittelbsr von meinem Tun weiß, und dass ich selbst das sei, weiß ich [dadurch], dass ich unmittelbar von diesem Sein weiß. Darauf bedarfs keiner weiteren Antwort; also bloß darauf, wie ich wisse, dass aus jenem meinem Tun dieses Sein folge; und die Lösung dieser Aufgabe wäre die Deduktion des Selbstbewusstseins und mit ihm alles anderen Bewusstseins. -

Tun und Sein sind ganz dasselbe, nur von verschiedenen Seiten angesehen. Diese doppelte Ansicht muss sein, wenn ein Ich sein soll, aus ihr geht erst das Ich hervor. Sieht das Ich sein reines Denken durch die Einbildungskraft hindurch, so entsteht ihm ein //215// Tun. Denkt es das wieder, was durch die Einbildungskraft dargestellt ist, so wird es zum Sein. Das reine Denken und Wollen macht also notwendig das Ich aus. Wie ein Ich gesetzt ist, ist es gesetzt; wie ein Ich gesetzt ist, ist ein Bewusstsein gessetzt wie das beschriebene.

- Das Ich ist kein einfacher Begriff, da es überhaupt keinen einfachen Begriff gibt; es ist zusammengesetzt auf die beschriebene Weise.
Nota.
 - 'Da es überhaupt keinen einfachen Begriff gibt': natürlich nicht, denn der Begriff ist nicht originär, originär ist das Gefühl. Der Begriff ist doppelt reflektiert, er ist das Produkt idealer Tätigkeit. Nur als Begriff gibt es ein Sein.
JE

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